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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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auch.
    »Komm!«, rief Emma mir zu, während Tyler in seinen Hosentaschen kramte.
    Das Wummern der Hubschrauber wurde lauter. Vielleicht würden sie erst ihre Toten bergen. Dann bliebe uns mehr Zeit, um –
    Der Motor der Black Shadow heulte auf.
    Ich blickte über die Schulter, doch nun waren die Felsen im Weg. Alles, was ich sah, war der Kuppelturm hinter uns und weiter südlich die Lichter der Hubschrauber.
    Wir waren etwa dreißig Meter tief in die Schneise hineingelaufen, als das Motorrad hinter uns heranjagte. Der Scheinwerfer war aus, ich konnte die Maschine im Dunkeln nur erahnen.
    Wir pressten uns rechts und links ans Gestein, als Tyler zwischen uns abbremste. »Aufsteigen!«, brüllte er und nahm einen Arm vom Lenker, damit Emma wieder den Platz vor ihm einnehmen konnte; das war nicht ganz einfach, weil sie den Rucksack jetzt auf dem Rücken trug. Ich setzte mich auf den hinteren Rand des Sattels und klammerte mich an Tylers Oberkörper. Als er Gas gab, verlor ich den Boden unter den Füßen.
    Das Knattern der Black Shadow ging jetzt im ohrenbetäubenden Lärm der Rotoren unter. Sturmwind peitschte über die Bergkuppe, während Tyler die Maschine in einem wilden Slalom durch die Felsrinne lenkte und ich mir alle Mühe gab, mit meinen Füßen nicht an Steinbuckeln und Felsnasen hängenzubleiben.
    Als ich mich in einer Biegung umsah, irrlichterten Scheinwerferkegel über die Sternwarte. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir kein Fahrzeug der beiden Söldner gefunden hatten. Jemand musste sie am Abend hier abgesetzt haben. Da die Männer an der Absturzstelle mit Wagen unterwegs gewesen waren, unterhielt Lionheart vermutlich in der Nähe einen Stützpunkt.
    Ein Zischen erklang, das für Sekunden sogar den Krach der Motoren übertönte. Tyler brüllte etwas, zerrte den Lenker herum und bog mit schlitterndem Hinterrad in den Schutz eines großen Felsbrockens. Er bremste so abrupt, dass ich erst gegen seinen Rücken gepresst wurde, dann nach hinten vom Sattel rutschte. Ich sah, wie er Emma von hinten packte, während das Motorrad umkippte. Mit einem stolpernden Sprung zog er sie in Sicherheit, bevor die Black Shadow sie unter sich begraben konnte.
    Für Sekundenbruchteile schien auf der Bergkuppe ein Vakuum zu entstehen, das jeden weiteren Laut verschluckte. Eine Druckwelle raste heran und versetzte den Felsen um einen halben Meter in unsere Richtung. Jeder Stein, jedes Sandkorn machte einen vibrierenden Sprung nach oben. Einen Herzschlag lang erstrahlte der Himmel in blendendem Weiß.
    Dann detonierte die Rakete direkt zwischen meinen Ohren, eine Explosion so laut, dass sie meinen Schädel zu sprengen schien. Gestein und brennende Trümmer regneten vom gleißend hellen Himmel.
    Ich warf mich herum, wollte Emma schützen, aber Tyler schirmte sie bereits mit seinem Körper ab. Etwas Flammendes landete in seinem Haar, aber er schüttelte es nur ab und achtete nicht weiter auf die Rauchfahne, die aus seinem Nacken aufstieg. Ich selbst wurde von irgendwas am Bein erwischt, einem Betonstück, das von den Felsen hinter uns abgeprallt war. Kurz kam es mir vor, als stünde ich selbst in Flammen, konnte nicht mehr atmen und war für ein paar Sekunden blind. Dann kehrte das Licht zurück und die Formen der Umgebung wurden wieder sichtbar. Neben mir schälten sich Emma und Tyler aus goldgelbem Flackern. Auf der anderen Seite des Felsens brannte ein gewaltiges Feuer.
    Über all dem Prasseln und Lodern erklangen jetzt wieder die Motoren der beiden Hubschrauber. Einer drehte ab und flog in einer Kurve niedrig über uns hinweg. Die Männer im Inneren schienen uns nicht zu bemerken, denn die Maschine verschwand gleich darauf in einem spiralförmigen Rauchwirbel wie in einem Schwarzen Loch.
    Der zweite Hubschrauber aber musste noch immer in der Nähe sein. Seine Rotoren peitschten Flammentornados durch die Felsspalten. Glühend heiß jagten sie an unserem Versteck vorüber.
    Ich kroch zu Emma, die noch immer halb unter Tyler begraben war. Die Black Shadow lag mit verbeultem Tank hinter den beiden auf der Seite.
    »Bist du verletzt?«, fragte ich Emma.
    Sie schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht war schmutzig, ihr Haar zerzaust. Funkenflug hatte ihr weißes T-Shirt mit einem Muster aus winzigen Brandlöchern überzogen.
    »Und Tyler?«
    Er knurrte etwas, das wie ein Nein klang, aber ebenso gut einer seiner norwegischen Waldschratflüche sein mochte. Arme und Beine waren noch dran und er wirkte zäh genug, um einige Blessuren zu

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