Phantasmen (German Edition)
ihres Mannes, und ein Anflug von Wärme huschte über ihre Züge.
»Sagen Sie’s schon!«, fuhr Tyler sie an. »Umso eher sind wir hier fertig.«
»Dein Ton, junger Mann, ist nicht besser als der dieses Söldners, der da draußen im Dreck wühlt. Warum sollte ich dir antworten, wenn ich es bei ihm nicht getan habe?«
Emma legte den Kopf ein wenig schräg. Sie verzog keine Miene, als sie sagte: »Weil wir sonst ihre Hunde töten. Und sie werden nicht bis in alle Ewigkeit mit Ihnen da oben auf der Bühne stehen.«
Selbst Tyler verschlug es für einen Moment die Sprache. Ich starrte meine Schwester fassungslos an, aber ihr Blick war fest auf Teresa Salazar gerichtet. Mit dem Rucksack auf ihrem Rücken sah sie ein wenig aus, als wäre sie gerade aus der Schule gekommen.
»Das wagst du nicht«, fauchte die alte Frau.
»Und wer sollte mich aufhalten? Die Männer vorm Haus werden Sie bestimmt nicht zur Hilfe rufen.« Sie ging an mir vorbei zur Tür und hinaus ins Treppenhaus. Die Hunde waren uns in sicherem Abstand gefolgt. Emma redete einem gut zu, nahm ihn hoch – und hielt ihn dann mit ausgestreckten Armen über die Brüstung.
Teresa Salazar verfluchte sie auf Spanisch.
»Was ist mit den zwölf Menschen passiert?«, fragte Emma. Der Hund leckte ihre Hand, während seine Hinterbeine über dem Abgrund zappelten.
»Eine Zeit lang waren sie unten in der Hot Suite«, stieß die Frau aus, »aber vor zwei Jahren wurden sie weggebracht. Acht von ihnen.«
Emma zog den Hund zurück an ihren Oberkörper und wandte sich vom Geländer ab. Sie gab dem kleinen Kerl einen Kuss zwischen die Augen und setzte ihn wieder zu den anderen.
»Was ist eine Hot Suite?«, fragte Tyler.
Teresa Salazar reckte den Oberkörper, um zu sehen, ob es ihren Lieblingen gut ging.
»Ein Schutzbunker gegen Biokampfstoffe«, sagte ich. »Bis in die Achtziger hat man diese Dinger gebaut, um Politiker, Bankenchefs und den Rest der Elite im Ernstfall darin unterzubringen – all die Leute, die nach einem Krieg mit bakteriologischen Waffen den Wiederaufbau betreiben sollten. Ähnlich wie ein Atombunker, aber eben nicht nur strahlengeschützt, sondern auch abgesichert gegen Mikroben und Bakterien. Außer den Kampfstofflabors selbst gibt es keinen Ort auf der Erde, der besser abgedichtet ist.« Ein Hoch auf das Programm der BBC.
Tyler eilte zurück ans Fenster und blickte hinaus. »Ist es da draußen? Unter dem Solarfeld?«
Teresa Salazar nickte. »Beide sind zusammen gebaut worden, damit niemand Verdacht schöpfen konnte. Das war 1971 oder 72. Knapp zwanzig Jahre später endete der Kalte Krieg und der Unterhalt wurde der Regierung zu teuer. Eine Weile lang kümmerte sich niemand mehr um die Anlage, aber dann wurde sie an private Investoren verkauft.«
Tyler trat aus dem Erker und baute sich vor der alten Frau auf. »Wer hat Haven den Auftrag gegeben, das Flugzeug zur Landung zu zwingen? Wer hat all die Menschen auf dem Gewissen und die Überlebenden in diese Hot Suite bringen lassen? Und welche Rolle spielt ein verdammter Hypnotiseur bei alldem?«
»Mein Mann und ich waren nur Angestellte«, sagte sie leise und versuchte einen Blick an Tyler vorbei auf die Hunde zu erhaschen. »Wir haben nur Befehle befolgt.«
»Genau wie Haven. Und das macht ihn und Sie weniger schuldig?«
Ihr Kinn ruckte nach oben und ihr harter Blick traf seinen. »Ich bin Retinologin, keine Söldnerin. Ich habe niemanden ermordet.«
Emma kam zurück ins Zimmer. »Eine Netzhautspezialistin«, übersetzte sie wie beiläufig.
Tyler sah kopfschüttelnd von meiner Schwester zurück zu der Frau. »Was hat das mit Netzhäuten zu tun? Organhandel?«
Teresa Salazar warf lachend den Kopf zurück. »Mein Junge, Netzhäute kannst du in der Dritten Welt an jeder Straßenecke kaufen, für ein paar Euro das Stück. Glaubst du allen Ernstes, jemand würde deswegen diesen Aufwand betreiben?«
»Dann rücken Sie schon raus mit der Sprache!«, verlangte ich. »Sie haben es so eilig wie wir. Wie viel Zeit bleibt noch, ehe Haven zurückkommt? Ich weiß nicht, was Sie ihm erzählt haben, aber wenn er nicht findet, was er sucht, dann –«
»Er will die Aufnahmen. Aber dort, wo er gerade danach herumstöbert, wird er noch Stunden brauchen, ehe ihm klar wird, dass es nichts zu finden gibt. Jedenfalls nicht die Videos, auf die es ihm ankommt.«
Ich verstand nicht, wie all das zusammenpassen sollte, und allmählich fürchtete ich, dass sie uns belog. Dass sie einfach Dinge aneinanderreihte,
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