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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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vierten Stock endete die Musik. Teresa Salazar senkte die Stimme zu einem Raunen.
    »Es ging um ein Bild von Gott.«

17.
    Eine Weile sprach keiner ein Wort. Dann sagte Emma: »Oder vom Teufel.«
    »Was auch immer.« Tyler kochte vor Wut und Ungeduld. »Wo sind sie? Was ist aus den zwölf geworden?«
    »Sie wurden in die Hot Suite gebracht.« Teresa Salazar versuchte aufzustehen, aber es misslang und sie sank zurück in den Sessel. »Es gab eine Forschungseinrichtung dort unten. Wir waren ein ganzes Team. Esteban, ich und fünf andere Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen. Dazu eine Reihe Krankenschwestern und Pfleger. Zu Beginn wurden wir großzügig unterstützt, mit Probanden aus aller Welt. Aber dann –«
    »Warten Sie!«, fiel ich ihr ins Wort. »Die zwölf waren nicht die ersten?«
    Sie stieß wieder dieses heisere Lachen aus, das mir den Magen umdrehte. »Die ersten? Mein liebes Kind! Begonnen hat alles vor fast dreißig Jahren, aber hierher kamen wir erst viel später. Es ist schwierig, eine solche Unternehmung mitten in Europa geheim zu halten. Anfangs war es sehr viel leichter, an Orten zu arbeiten, an denen man noch Hoffnungen in die Wissenschaft setzte, anstatt sie in Frage zu stellen. Wir waren in Ecuador, in Bolivien und später dann –«
    »In Afrika«, stieß ich hervor. Zugleich kam mir die Galle hoch.
    »Wo sonst?«, bestätigte sie mit einem hintergründigen Lächeln.
    Tyler hatte genug gehört. »Wo sind sie jetzt?«
    Emma kam herüber und vertiefte sich in eine Betrachtung des Porträts. Weiß der Himmel, was sie darin sah oder suchte.
    »Anfangs«, fuhr die alte Frau fort, »kamen wir nicht gut voran. Man gab uns Häftlinge als Versuchsobjekte, Schwerverbrecher, einmal eine Gruppe von Soldaten. Das war noch in Südamerika. Die meisten hatten Krankheiten, Augenentzündungen, alles Mögliche, das dafür sorgte, dass wir kaum weiterkamen. Immerhin fanden wir heraus, dass an der Behauptung, Menschen mit Nahtoderfahrungen entwickelten gelegentlich mediale Fähigkeiten, durchaus etwas dran ist. Keine revolutionären Erkenntnisse, aber doch Kleinigkeiten, die unsere Auftraggeber neugierig machten. Hellseherei, Telepathie, Gedankenlesen … Nicht in einem Ausmaß, das irgendwem einen Nutzen brachte, aber doch ein Anfang. Und dann endlich bot sich uns ein Weg, um Probanden ausfindig zu machen, deren Potenzial das der anderen bei weitem übertreffen sollte.«
    »Die Website«, sagte Tyler tonlos.
    »Das waren nicht wir«, erwiderte sie, »aber wir profitierten davon. Irgendwer richtete sie ein und bald wurde sie zum Sammelplatz für Menschen aus aller Welt, die von sich behaupteten, gestorben und wieder ins Leben zurückgekehrt zu sein. Der Anteil derjenigen, deren Berichte authentisch erschienen, war beachtlich, und darunter gab es ein paar … nun, sie schienen perfekt. Absolut perfekt.«
    »Sie haben sie zu dieser Konferenz eingeladen«, sagte ich, »das Flugzeug auf dem Weg dorthin zur Landung gezwungen und sie herausgeholt.«
    »Es war alles makellos inszeniert, das Hotel gebucht, die Experten engagiert, sogar Medien eingeladen. Das war nicht unser Tun, wir saßen nur in der Hot Suite und warteten … Aber diejenigen, die das alles finanziert haben, sind sehr gründlich gewesen. Sie haben viel Geld investiert, damit die zwölf ihren Weg zu uns finden konnten.«
    Tyler versetzte ihr eine Ohrfeige. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Ihr selbstzufriedener Tonfall war ohne jedes Schuldbewusstsein. Womöglich glaubte sie noch immer, das alles sei im Dienst der Wissenschaft geschehen.
    Der Schlag war nicht hart gewesen und Tyler trat rasch einen Schritt zurück, wohl ein wenig erschrocken über sich selbst. Aber der Schock schien Teresa Salazar in die Gegenwart zurückzuholen.
    »Wir haben Ergebnisse erzielt«, sagte sie verbittert, » gute Ergebnisse. Wir hatten herausgefunden, dass sie in der Lage waren, während der Hypnose miteinander zu kommunizieren, einzig durch die Kraft ihrer Gedanken. Und, mehr noch, sie suchten sich eine Bezugsperson bei uns im Labor und sprachen auch zu ihr. Ihre Wahl war auf eine der Krankenschwestern gefallen, aber wir fanden nie heraus, warum gerade sie diejenige war. Damit hatten wir die übersinnlichen Kräfte, die durch Nahtoderfahrungen ausgelöst werden, endgültig bewiesen. Und wir hätten in dieser Richtung noch weiter gehen können, aber unseren Finanziers genügte das nicht. Der Konflikt mit ihnen köchelte schon seit einer ganzen Weile. Für sie

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