Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
interviewen oder lieber dem Onkel und den Kindern folgen sollte. Ich entschloss mich schließlich für Letzteres, was aber auch daran gelegen haben konnte, dass Brigid mir die ganze Zeit den Rücken zuwandte und Holm angestrengt auf den Kamin starrte, um meinen Blicken zu entgehen. Sie waren offensichtlich nicht scharf auf meine nachdrücklichen, investigativen Fragen.
Ich will euch nicht mit technischen Einzelheiten zu dem Geistometer langweilen, den Onkel Thomas in einem langgezogenen Gebäude im Garten der Villa baute, das früher mal ein Pferdestall gewesen war, aber jetzt als Schuppen und Werkstatt diente. Ich sage nur so viel: Es sah beeindruckend aus. Er bastelte aus den verschiedensten Dingen ein ehrfurchteinflößendes Gerät, das auf die Entfernung wie eine Mischung aus einem Staubsauger und einem futuristischen Rasenmäher aussah, bei näherer Betrachtung jedoch sehr viel Raffinesse offenbarte. Es gab ein Display, das matt schimmerte, ein Saugrohr, einen Filter, mehrere blinkende Lämpchen und ein paar wild durcheinandergesteckte Kabel.
„Und das funktioniert wirklich?“, fragte Robbie zweifelnd. Wieder eine Frage, die von mir hätte stammen können.
„Ja, kein Zweifel.“ Onkel Thomas schien sich absolut sicher zu sein.
Immer noch skeptisch ging ich mit den dreien wieder nach oben, wo es inzwischen lecker nach Weihnachtsbraten roch. Der Weihnachtsbaum war fertig geschmückt, die Kerzen warteten sehnsüchtig darauf, angezündet zu werden.
„Jetzt können wir nur darauf hoffen, dass der Spuk wiederkommt“, sagte der Alte und setzte das Gerät neben dem Tisch auf den Boden, damit es im Fall der Fälle sofort griffbereit war.
„Oh, der kommt“, sagte Holm Helgard und setzte sich an den Tisch. Das Zeichen, dass das Essen gleich serviert wurde.
Wir mussten tatsächlich nicht lange warten. Mitten im Essen ertönte erneut der langgezogene Schrei, der mir die Haare zu Berge stehen ließ. Noch ganz schön flink für sein Alter sprang Onkel Thomas auf und eilte mit dem Gerät durch das Haus, um der Quelle des Schreis so nah wie möglich zu kommen. Der Rest der Familie und ich folgten ihm atemlos, die Servietten noch an unserem Hals. Robbie hielt sogar noch die Gabel in der Hand.
Vor einer Wand blieb Onkel Thomas stehen. Der Schrei war inzwischen verstummt.
„Was ist hier?“, flüsterte Robbie.
„Von hier kommt der Schrei“, erwiderte der Alte und starrte auf das Display seines Geistometers. „Es ist eine Frau.“
„Woher wissen Sie das?“ Jetzt schaltete ich mich ein.
„Hier, sehen Sie.“ Er deutete auf das Display. Darin war das verschwommene Gesicht einer schreienden Frau abgebildet. Es sah schrecklich aus. Eine Gänsehaut lief über meinen Rücken.
„Und nun?“, fragte Sally. Verdammt gute Frage. Auf die wäre ich auch gern selbst gekommen.
„Ich denke, es ist am besten, wir halten eine Séance“, erwiderte der Großonkel aus Australien.
Ich muss zugeben, die Abbildung auf dem Geistometer hatte mich noch nicht ganz überzeugt, dass es sich tatsächlich um einen Geist und nicht um ein Phänomen mit einer weltlichen Erklärung handelte, aber ich stand auf der Kippe. Noch ein überzeugendes Argument, und ich glaubte ihm.
„Eine Séance? Mit wem denn? Braucht man dafür nicht ein Medium?“ Auf einmal schaltete sich Brigid ein. Offenbar kannte sie sich auch ein wenig mit der Geistermaterie aus.
„Nicht unbedingt“, sagte der Alte. „Wenn Geister bereits in die andere Welt übergegangen sind und eigentlich hier nichts mehr zu suchen haben, braucht man ein Medium. Aber wenn sie bei uns gefangen sind und sich so lautstark Gehör verschaffen wie dieser Geist, geht es auch ohne.“
Der Mann klang wie ein echter Experte. Ich gebe zu, ich fühlte mich immer mehr von ihm beeindruckt.
„Dann machen wir jetzt die Séance“, rief Sally. Ich schloss mich an. Der Grusel machte süchtig.
Wir räumten alle gemeinsam die Reste des Essens vom Tisch, dann setzten wir uns. Ich will euch aber auch hier nicht mit den Einzelheiten quälen. Von Séancen habt ihr sicherlich schon zur Genüge gelesen oder sie im Fernsehen gesehen. Das ist nichts Neues.
Schließlich saßen wir alle um den Tisch herum, hielten uns die Hände und starrten in das Licht einer einzelnen Kerze, die in der Mitte stand. Im Hintergrund brannte ein Schälchen mit Räucherzeug, das uns die Sinne vernebelte.
Der Alte murmelte irgendetwas, vermutlich auf Australisch oder in irgendeiner Sprache, die ich nicht verstand. Es
Weitere Kostenlose Bücher