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Phantom der Lüste

Phantom der Lüste

Titel: Phantom der Lüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Nowak
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angetan?“
    „Sebastien!“
    Das gelöste Lachen des anderen verriet, dass er mit seiner Vermutung richtig lag. Aber was machte Sebastien hier?
    „Du bist befreit.“
    Befreit wovon? Allmählich dämmerte es Jean, dass hier ein schreckliches Missverständnis vorlag. Er hörte die Schmerzenslaute von Enjolras und sprang abrupt auf.
    „Lasst von ihm ab! Er hat mir nichts getan!“, rief Jean, aber da wurde er auch schon bei den Schultern gepackt.
    „Jean, beruhige dich, wir haben alles unter Kontrolle!“
    „Lass mich los, Sebastien!“
    Enjolras Schreie wurden lauter.
    „Ihr bringt ihn noch um!“ Jean riss sich los, befreite sich aus dem festen Griff und taumelte nach vorn, in der Absicht, sich zwischen Enjolras und dessen Angreifer zu werfen. Doch er geriet ins Straucheln. Sebastien versuchte ihn festzuhalten, aber da schlug er auch schon auf dem Boden auf. Ein mächtiger Schmerz rauschte durch seinen Schädel. Jean wurde übel. Er glaubte, sich übergeben zu müssen. Er hörte sich würgen,spürte wie sich etwas seinen Weg nach oben bahnte. Doch dann wurde es dunkel um ihn.

    „Mein armer, lieber Jean.“
    „Francoise? Seid Ihr das?“
    „Ich habe den ganzen Tag und die ganze Nacht an Eurem Bett gesessen.“
    Jean ruckte hoch. Wo war er? Ein vertrauter Geruch stieg ihm in die Nase. Es steckte kein Stroh in der Matratze, auf der er lag. Sie war weich. Es knisterte nicht, wenn er sich bewegte.
    „Jean?“
    Er richtete den Blick in die Richtung, aus der die sanfte Stimme kam und sah Francoises Umrisse. Ihre schmale Gestalt, die dunklen Locken, die zu einem Turm hochgesteckt waren. Es schien, als würde er durch milchiges Glas sehen.
    „Ich sehe Euch, Francoise.“ Es war ein Wunder! Ein echtes Wunder! Jean weinte vor Glück. Er konnte sehen. Da war mehr als nur ein Schatten.
    „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Ihr Euch derart freuen würdet, mich wiederzusehen. Immerhin war ich der Grund für Eure Flucht.“
    Jean hörte ihr nicht zu. Er war zu Hause. Alles war wieder gut. Nein, nicht alles. In diesem Moment kam die Erinnerung hoch. Sebastien war in ihrer Hütte gewesen und sie hatten Enjolras mitgenommen. Wo war er? Wo war sein Geliebter?
    „Francoise, wo haben sie den Mann hingebracht? Den Mann, dem die Hütte gehörte, in der sie mich fanden.“
    In dem Moment ging die Tür auf und Sebastien kam herein. Er erkannte ihn an seiner Uniform, doch seine Sicht war noch immer zu verschwommen, um Einzelheiten auszumachen.
    „Wie geht es dir, Jean?“, fragte Sebastien.
    Kurz flammte die alte Freude auf, seinen Freund zu sehen. Doch dann kamen ihm Fragen und Zweifel. Wieso war Sebastien nicht an der Front? War er überhaupt noch Soldat? Oder gar Spion des Königs?
    „Hör zu, Sebastien. Es ist wichtig. Enjolras hat mich nicht entführt oder gefangengehalten. Ganz im Gegenteil, er hat mich gerettet. Bitte, Sebastien, du musst mich zu ihm bringen. Wo ist er jetzt? Wo habt ihr ihn hingebracht?“
    Sebastien lachte leise und kam näher. „Jean, der Sturz auf deinen Kopf hat dich wohl verwirrt.“
    „Nein! Ich weiß sehr wohl wovon ich rede.“
    „Er ist im Kerker von Gavaine.“
    „Im Kerker?“ Jean schluckte und seine Augen fingen an zu brennen. „Sebastien, wir müssen ihn da rausholen!“ Der Kerker war dunkel, dreckig und feucht. Es war kein Ort für seinen Geliebten. Er musste ihm helfen!
    „Aber er hat doch längst alles gestanden, Jean. Ich bringe ihn in den nächsten Tagen nach Paris. Der König will sich selbst um die Angelegenheit kümmern.“
    „Er hat… gestanden?“ Jean war erschüttert. Und warum war die Sache dem König so wichtig? Welch übler Trick sollte das sein? Enjolras war sein Retter! Jean konnte das bezeugen. Wieso also gestand er eine Tat, die er nicht begangen hatte? Ihm kam ein schrecklicher Gedanke. „Ihr habt ihn verhört! Natürlich hat er alles gestanden. Unter Folter gesteht jeder!“
    Jean wollte auf Sebastien losgehen. Dieser Mistkerl! Wie hatte er sich in ihm in all den Jahren nur so täuschen können?
    „Du bist noch nicht bei dir“, stellte Sebastien nüchtern fest und drückte Jean mit Leichtigkeit ins Bett zurück. „Kümmere dich um ihn, Schwesterherz. Bring ihn zur Vernunft.“
    „Ich war nie vernünftiger!“, fuhr Jean seinen einstigen Freund an. „Er ist unschuldig! Hört ihr nicht? Unschuldig!“
    Sebastien drehte sich an der Tür noch einmal um. „Was weißt du schon? Dieser Mann ist nicht der, für den du ihn hältst. Sein Name ist nicht

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