Phantom der Lüste
entkommen! Rasch blickte er sich nach allen Seiten um. Irgendwo musste dieser Mörder noch stecken.
Da! Dort hinten war er, schlich in eine Seitengasse. So schnell er nur konnte, jagte er dem Phantom nach. Doch als er die Ecke erreichte und die Straße hinunterspähte, war der Gejagte nicht mehr zu sehen. Sein Herz schlug schneller, fast panisch. Mit verbliebener Kraft stürmte er den Pflasterweg hinunter, der zu einer größeren Straße führte.
Dort konnte er den Gesuchten gerade noch in der Menge verschwinden sehen. Er musste ihm nach. Schnell!
Aber jemand hielt ihn am Arm zurück. Elender Bettler. Er hob die Faust, um dem impertinenten Kerl eine mitzugeben, doch im Flug bremste er den Schlag ab, denn vor ihm erblickte er eine vertraute Gestalt, die erschrocken zurückwich.
„Francoise? Was machst du denn hier?“ Sie sah ihn entsetzt an und er senkte rasch die Faust. „Verzeih. Ich wollte dich natürlich nicht… ich wusste nicht, dass du es bist.“ Er räusperte sich verlegen. Niemals hätte er sie geschlagen.
Die Schreckensstarre wich aus ihrem Gesicht und ein zauberhaftes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Wen hast du denn erwartet?“
„Einen Haderlump. Aber das ist ja jetzt nicht mehr so wichtig. Sag, was machst du in St. Marie?“
„Ich besuche Tante Loraine.“
Bei Loraine, der Ehefrau von Vaters verstorbenem Bruder, hätte er auch unterkommen können. Er hatte bereits in seiner Jugend einige Zeit in ihrem Haus gelebt, um ihr nach dem Tod von Onkel Jacques bei ihren Angelegenheiten zu helfen. Doch wenn er jetzt in das Stadthaus eingezogen wäre, hätte er seine Tarnung gefährdet. Und das wäre fatal. Sie glaubten, er sei an der Front. Dabei arbeitete er für den Geheimdienst seiner Majestät.
„Ist der Krieg denn schon vorbei?“, fragte Francoise.
„Hör zu, ich erkläre dir alles später, aber ich muss mich jetzt beeilen. Verzeih mir, Francoise. Du wirst bald alles erfahren.“ Er hauchte einen raschen Kuss auf ihren Handrücken und rannte in die Richtung, in der er das Phantom zuletzt gesehen hatte. Doch von Lamont fehlte nun natürlich jede Spur. Die kurze Konversation hatte ihm einen ungemeinen Vorsprung beschert, den er jetzt nicht mehr würde aufholen können.
Verdammt! Das durfte nicht wahr sein! Jetzt war ihm der Kerl auch noch entkommen. So kurz vor dem Ziel. Aber gut, zumindest wusste er nun, dass Lamont tatsächlich noch hier war.
Gen Abend saß er bei Wein im Schankraum und ärgerte sich über die Niederlage. Da ging die Tür auf und eine vertraute Gestalt trat ein. Sie war alt und gekrümmt, doch in den Augen sah er ein Leuchten.
„Was willst du schon wieder von mir?“, fragte er und knurrte den Bettler an.
„Ihr seid mir schon ein Held.“
„Wie redest du mit mir?“ Er hob drohend den Arm, aber der Bettler ließ sich dieses Mal nicht einschüchtern.
„Habt Ihr Euren Geist etwa gefangen?“
„Nein“, gab er zu und biss sich verärgert auf die Unterlippe.
„Wie ich es mir dachte“, sagte der Bettler triumphierend.
„Ach, das hast du dir also gedacht?“ Allmählich verlor er die Geduld, was wollte dieses stinkende Etwas von ihm?
„Oh ja, als ich den Narbenmann die Stadt verlassen sah, war mir klar, Ihr habt es vermasselt. Also bin ich ihm gefolgt.“
„Du bist was?“ Er ruckte hoch und sein Stuhl fiel krachend zu Boden.
Der Bettler setzte sich ganz selbstverständlich hin und gab der Schankmagd einen Fingerzeig, die ihm sogleich Wein brachte. „Seid Ihr des Französischs nicht mehr mächtig? Genau das sagte ich doch gerade. Und ich weiß auch, wo er jetzt ist.“
Er hob den Stuhl auf und bezahlte den Wein. „Wo?“
„Ich sag es Euch. Für zehn Groschen.“
Was für ein Halunke! Aber hatte er eine andere Wahl, als der Forderung nachzugeben? Seufzend griff er in seinen Geldbeutel und zog die Taler heraus.
„Das sind mehr als zehn“, stellte der Bettler überrascht fest.
„Zehn für dich. Und für jeden Mann zwei weitere Groschen, der mir hilft diesen Verbrecher zu fassen.“
Stühle schoben sich zurück und binnen weniger Wimpernschläge war sein Tisch von Freiwilligen umstellt, deren Augen beim Anblick der silbernen Groschen lüstern glänzten.
„Endlich!“ Jean war vor Sehnsucht fast zerflossen und fiel Enjolras um den Hals, kaum dass dieser die kleine Waldhütte betreten hatte.
Sie küssten sich, aber dann schob Enjolras Jean zur Seite. „Warte hier. Rühr dich nicht“
„Aber was ist denn los?“
„Tu einfach was ich
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