Phantom der Tiefe
Uruks, als er mit seinen Geschwistern vom Weißen Tempel aus über Sumer geherrscht hatte.
Um so schlimmer traf ihn ihre Abkehr, ihr . VERRAT!
Zugleich aber war er überzeugter denn je, daß er, wäre er zur fraglichen Zeit der Hüter gewesen, ihren perfiden Plan - anders als Landru - durchschaut und vereitelt hätte!
Ein Hüter war er nun nicht mehr.
Er war zum GOTT geworden!
Zu einem dunklen, hungrigen, im tiefsten Herzen heillos verwundeten und schrecklichen Gott!
Nicht vergleichbar mit dem, dessen Platz er einnehmen wollte -und würde .
*
Kemer stand noch immer ganz unter dem Eindruck der Zerstörungsorgie, die sich in seiner unmittelbaren Sichtweite abgespielt hatte. Das Jet-Geschwader der türkischen Armee hatte sich in einen Trümmerregen aufgespalten, war in sich kollidiert und abgestürzt!
Kemer hatte Ähnliches in einigen Kinofilmen gesehen - aber das war nur eine künstliche Realität gewesen, zu der ein Menschenverstand automatisch Distanz aufbaute.
Hier hingegen war die Katastrophe absolut wirklich. Hier hatten lebendige Menschen in den Cockpits der Unglücksmaschinen gesessen, deren zerrissene Gliedmaßen nun ebenso über die winterstarre Ebene verstreut lagen wie die Wracks der Düsenjäger, die den Ara-rat umflogen hatten!
Am schlimmsten und nachhaltigsten aber wirkte die Erkenntnis in Kemer nach, die er in schleppenden Worten an Akhan zu richten versuchte: »Sie . sie haben sich gegenseitig umgebracht! Ich verstehe nicht .«
Akhan antwortete nicht.
Sein Gesicht ruhte still und stumm und gespenstisch hell im sonst so schmutzigen Schnee. Die Augen standen offen - weit offen wie der Mund, und Kemer brauchte nur eine einzige Sekunde, um zu begreifen, daß Akhan tot war. Sein ohnehin angeschlagenes Herz hatte aufgehört zu schlagen.
Kemer wandte sich mit Grausen ab. Aber der lautlosen, in ihm rumorenden Stimme konnte er damit nicht entkommen.
Eine Stimme, deren unentwegte Versprechungen weiter lockten, weiter zogen und zerrten - auch wenn tief in Kemer, vielleicht in dem harten, kalten Knoten, der sich noch fester zusammengezogen hatte, kaum noch eine Hoffnung nistete, daß dieser fromme Wahn letztlich etwas Gutem weichen konnte.
Dennoch folgte er dem verheißungsvollen Sog, der ihn näher und näher in Gipfelhöhen brachte.
Wieder - wie vor seinem Zusammentreffen mit Akhan - verwandelte er sich in ein stur-gehorsames Tier, vor dem ihm selbst gegraut hätte.
Und nach einer weiteren halben Stunde, in der sich die Kälte in sein Fleisch und Skelett gefressen hatte, erreichte er jäh das Ende der Spur im Schnee.
Das Loch im Berg.
Aus dem heraus es so abseitig wie verführerisch glomm .
*
Es war kein zufällig entstandener Höhlengang, der sich vor Kemer auftat - aber er sah auch nicht aus wie von Menschenhand erschaffen. Unvorstellbare Hitzegrade mußten sich durch das Gestein gebohrt haben, so wie Wände, Boden und Decke des steil abwärts füh-renden Stollens aussahen. Das Material erinnerte an wiedererstarrte, wiedererkaltete Schmelze und sonderte dabei einen Glanz ab, in dem dieselbe Lockung schwang, die die Pilger schon unten im Lager aller Vernunft beraubt hatte.
Die Länge des Stollens war schwer zu bestimmen, vielleicht fünfzig, vielleicht sechzig oder siebzig Meter .
Kemer, der sich mit den Händen rechts und links an den glatten Wänden abstützte, wurde abwechselnd heiß und kalt. Aber er war bereits zu erschöpft, zu eingeengt in seinem Denken, um mehr als den flüchtigen Wunsch zu verspüren, die glasharte Substanz näher in Augenschein zu nehmen.
Der extrem geneigte, schnurgerade verlaufenden Stollen erlaubte ein langsames Vorantasten nur unter enormem Kraftaufwand. Aber gerade an Kraft mangelte es Kemer, und so rannte er den Schacht buchstäblich mit fliegendem Atem hinab. Wie lange würde er sich noch aufrecht halten können?
Immer näher rückte das Ende des Tunnels.
Dort atmete Düsternis.
Düsternis und -
- ja, was?
Das, wovon Milas erzählt hatte?
Eine halbe Minute später erfuhr Kemer, was es war.
Ein - Abgrund!
Der Stollen hörte einfach auf, und dahinter ging es senkrecht in die Tiefe!
Scheinbar bodenlos!
Der Schwung hatte Kemer bereits mit einem Bein über den Rand des Schachtendes hinausgetrieben, als er dies erkannte - und im Reflex reagierte.
Wie er den Sturz in den Abgrund tatsächlich vereitelte, das vermochte er später selbst nicht mehr zu sagen. Auch nicht, woher er plötzlich genügend Willen nahm, um sich erfolgreich gegen dieses von
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