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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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kommt nichts dabei heraus.«
    Und er berichtete, wie er sich einmal darangesetzt hatte, seine Memoiren zu schreiben, die halbe Nacht schrieb und selber begeistert war, wie gut ihm alles von der Hand ging.
    »Wissen Sie, das war so gescheit, waren solche wunderschönen Vergleiche, so ein reicher Stil, einfach erstaunlich.«
    »Sehr gut«, sagte ich, »und warum haben Sie nicht weitergemacht?«
    »Als ich zu Bett ging«, sagte er, »war es schon gegen Morgen. Ich war vollkommen geblendet von meiner eigenen Begabung, die so plötzlich hervorgebrochen war.«
    Dann seufzte er und fügte hinzu:
    »Aber als ich aufwachte und alles noch einmal durchlas, wissen Sie, da wurde mir ganz anders zumute. Das waren solche Dummheiten, so idiotisch war alles geschrieben, dass ich nur abwinken konnte. Nie wieder werde ich schreiben.«
    Er saß da und schaute nachdenklich vor sich hin, auf seinem Gesicht lag aufrichtiger Kummer. Dann fragte er mich, als wäre ihm gerade etwas eingefallen:
    »Ah ja, worüber ich mit Ihnen reden wollte. Sagen Sie doch bitte, wie schreibt Sascha? Gut oder – na ja? Sie erinnern sich, Sascha Wolf, über den wir uns beide unterhalten haben?«
    Ich sagte ihm, wie ich darüber denke. Er wiegte den Kopf.
    »Schreibt er in diesem Buch nichts über Marina?«
    »Nein.«
    »Schade, sie wäre es wert gewesen. Worüber schreibt er denn? Entschuldigen Sie, dass ich Sie so ausfrage. Ich kann kein Englisch, Saschas Buch liegt bei mir wie eine Handschrift in einer unbekannten Sprache.«
    Ich schilderte ihm ungefähr den Inhalt des Buchs. Besonders interessierte ihn natürlich »Das Abenteuer in der Steppe«. Er konnte sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, dass Sascha Wolf, dieser Sascha, den er so gut kannte – einer wie wir alle, sagte er –, dass dieser Sascha Schriftsteller war, obendrein ein englischer.
    »Woher hat er das bloß? Verstehe ich nicht«, sagte er. »Tja, das heißt Talent. Ein Mensch wie ich. Ich habe mein ganzes Leben für Unsinn verplempert, während über Sascha später Artikel geschrieben werden und vielleicht sogar Bücher. Und an uns wird man sich vielleicht erinnern, wenn er über uns schreibt, und in fünfzig Jahren werden englische Gymnasiasten von uns lesen und auf diese Weise wird alles, was gewesen ist, nicht umsonst gewesen sein.«
    Wieder schaute er vor sich hin, ohne etwas zu sehen.
    »Und so würde alles auch bleiben«, setzte er laut seine Gedanken fort. »Wie die Armreifen an Marinas Handgelenken geklappert haben, wie der Dnepr war in jenem Sommer, was für eine Hitze herrschte und wie Sascha quer über dem Weg lag. Somit hatte er gesehen, wer damals auf ihn schoss? Seiner Beschreibung nach, sagen Sie, ein Bürschchen? Wie steht es da bei ihm?«
    Ich wiederholte diese Stelle der Erzählung ausführlicher.
    »Ja, ja«, sagte Wosnessenski. »Sehr gut möglich. Ist vielleicht erschrocken, das Bürschchen. Können Sie sich vorstellen? Das Pferd unter ihm erschossen, steht da, der Ärmste, allein auf weiter Flur, und auf ihn zu galoppiert ein Bandit mit Gewehr.«
    Er dachte wieder nach.
    »So werden wir auch über ihn nie etwas erfahren. War es ein Gymnasiast, der noch unlängst vor den Lehrern mehr Angst hatte als vor einem Maschinengewehr und daheim Mamas Bücher las, oder ein Rowdy, eine Art Streuner, und schoss er vor Schreck oder mit ruhiger Berechnung wie ein Mörder? Auf jeden Fall«, fügte er unvermutet hinzu, »wenn ich ihm durch ein Wunder einmal begegnen sollte, würde ich zu ihm sagen: Danke, mein Freund, dass du ein wenig danebengeschossen hast; dank deinem Fehlschuss werden wir alle am Leben bleiben – Marina wie Sascha wie vielleicht sogar ich.«
    »Sie messen dem eine solche Bedeutung bei?«
    »Wie denn nicht?«, sagte er. »Das Leben vergeht, hinterlässt keine Spur, Millionen Menschen verschwinden, und niemand erinnert sich an sie. Und einzelne von diesen Millionen bleiben. Was könnte großartiger sein? Oder auch, da lebt eine schöne Frau wie Marina, deretwegen Dutzende bereit wären, vielleicht sogar zu sterben – und ein paar Jahre später bleibt von ihr nichts außer ihrem irgendwo verrottenden Leichnam? Ist das etwa gerecht?«
    »Tatsächlich, man kann nur bedauern, dass Sie kein Schriftsteller sind.«
    »Oh, lieber Freund, ja natürlich. Dachten Sie, ich würde diesbezüglich grundlos Trübsal blasen? Ich bin ein einfacher Mensch, aber was tun, wenn ich nun mal die Begierde nach Unsterblichkeit in mir trage? Ich habe ein sehr ausschweifendes Leben

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