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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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geführt, nichts als kleine Mädels und Restaurants, aber das heißt nicht, dass ich niemals und über nichts nachgedacht hätte. Im Gegenteil, nach den kleinen Mädels und den Restaurants, in Stille und Einsamkeit, da geht einem alles durch den Sinn, und es wird einem besonders traurig ums Herz. Alle Wüstlinge und Trunkenbolde werden Ihnen das bestätigen.«
    Diesmal war Wosnessenski in beschaulicher Stimmung und beinahe nüchtern. Zuletzt sprach er mit mir in einem Ton, wie Ältere mit Jüngeren sprechen. Wenn Sie erst mal so lange gelebt haben wie ich… Sie sind natürlich zu jung… Dann war wieder von Wolf die Rede, doch sagte er über ihn nichts Neues.
    Es vergingen noch ein paar Wochen, und in dieser ganzen Zeit kam zu meinen Informationen nichts hinzu, auch nichts zu meinen Vermutungen. Aus London erhielt ich keinen einzigen Brief. Mehrfach kam mir der Gedanke, das bliebe nun so für immer: Wolf könnte sterben, ich könnte ihm nie begegnen, und was ich über ihn wusste, würde sich auf seine Erzählung »Das Abenteuer in der Steppe« beschränken, meine eigenen Erinnerungen an diese heißen Sommertage und auf das, was mir Wosnessenski berichtet hatte. Ich würde mich noch ein paarmal an den Weg erinnern, an die weißgrüne Stadt über dem Dnepr, das Klavierspiel in der kleinen Villa und das Klappern der Armreifen an Marinas Handgelenken, das Wosnessenski nicht vergessen konnte, dann würde das Ganze allmählich abblassen und sich eintrüben, und danach würde fast nichts mehr bleiben, außer womöglich dem Buch, das in dieser federnden und präzisen Sprache verfasst war und dessen Titel mir ebenfalls wie ferne Ironie klingen würde.
    Nach wie vor ging ich bisweilen in dieses Restaurant, aber nie zu den Zeiten, wenn Wosnessenski dort hinkam, der im übrigen auch längst nicht mehr von solchem Interesse für mich war. Nach wie vor spielte das Grammophon, verbunden mit dem Radioapparat, seine Schallplatten, und jedesmal, wenn die tiefe Frauenstimme die Romanze anstimmte:
    Nichts braucht es, nichts,
Weder spätes Bedauern… –
    hob ich unwillkürlich den Kopf, und es wollte mir scheinen, als öffnete sich plötzlich die Tür und herein träte Wosnessenski, und hinter ihm raschen Schrittes ein Mann mit blondem Haar und grauen Augen, der Blick unbeweglich. Dass er graue Augen hatte, war mir jetzt wieder deutlich in Erinnerung, obgleich sie damals, als ich sie sah, fast schon von der Trübe des Todes überzogen waren und ich ihre Farbe nur wahrnahm, weil es unter so außergewöhnlichen Umständen geschah.
    * * *
    Ich führte meine frühere Lebensweise fort, nichts daran änderte sich, alles war wie immer – chaotisch und traurig, und zeitweise konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als lebte ich schon unendlich lange so und kennte schon lange bis zum tödlichen Überdruss alles, was ich vor Augen hatte: diese Stadt, diese Cafés und Kinematographen, diese Zeitungsredaktionen; ein und dieselben Gespräche über ein und dasselbe und nahezu mit ein und denselben Leuten. Da setzten eines Tages, im Februar eines milden und regnerischen Winters, ohne jede Vorbereitung und ohne dass Neues zu erwarten gewesen wäre, Ereignisse ein, die mich letzten Endes sehr weit davontragen sollten. Im Grunde konnte, dass sie einsetzten, keineswegs ein Zufall genannt werden, zumindest, was mich betraf. Ebenso wie ich mich einige Zeit davor um die Nachrufe gekümmert hatte, anstelle von Bossuet, der jetzt zum Glück wieder gesund war und erneut mit unbegreiflichem Eifer seine lyrischen Beerdigungsartikel verfasste, sollte ich nun einen anderen Zeitungsmitarbeiter vertreten, den Fachmann für Berichte über Sportwettkämpfe, der nach Barcelona gereist war, um einem – aus seiner Sicht – sehr wichtigen internationalen Fußballspiel beizuwohnen. Am übernächsten Tag sollte in Paris ein nicht weniger bedeutendes Ereignis stattfinden, nämlich das Finale der Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht, und der Bericht darüber wurde mir anvertraut. Der Ausgang des Wettkampfs interessierte mich sehr. Ich hatte eine durchaus feste Vorstellung von Karriere und Qualitäten jedes der beiden Gegner, und so war das Treffen für mich besonders spannend. Der eine Boxer war Franzose, der berühmte Émile Dubois, der andere Amerikaner, Fred Johnson, der seinen ersten Auftritt in Europa hatte. Allgemein galt Dubois als der Favorit; ich war einer der wenigen, die meinten, Johnson werde den Kampf gewinnen, denn ich verfügte über

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