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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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Außerdem war er sechs Jahre jünger als Dubois; auch das hatte eine gewisse Bedeutung.
    Ich war von der Richtigkeit meiner Mutmaßungen völlig überzeugt, allerdings fußten sie durchweg auf indirekten Hinweisen, zudem so unzuverlässigen wie den Sportberichten amerikanischer Zeitungen. Johnsons Aufgabe lief in diesem Kampf lediglich auf eines hinaus: Er musste Dubois auf Distanz halten und ein corps à corps vermeiden. Ich war mir sicher, dass Johnson das zweifellos begriffen hatte und dass in diesem Fall die Überlegenheit seiner Technik ihm zum Sieg verhelfen würde.
    Lange hatte ich keine solche Menschenmenge und keine solche Ansammlung von Autos mehr gesehen wie am Abend dieses Wettkampfs vor dem Eingang des riesigen Palais des Sports. Alle Eintrittskarten waren längst verkauft. Unmittelbar vor dem Eingang stand die gewaltige Limousine des amerikanischen Botschafters. Im dünnen Winterregen drängten sich auf der Straße viele Menschen; einzelne Dämchen verbargen sich in dunklen Ecken vor der Polizei. Kaum war ich ein paar Schritte gegangen, hielt mich ein Bekannter an, ein junger Architekt, den ich aus dem Quartier Latin und meiner Studienzeit kannte.
    »Du Glückspilz!«, sagte er laut und drückte mir die Hand. »Du brauchst nicht nach Schurken Ausschau zu halten, die eine Zwanzig-Franken-Karte für hundertfünfzig Franken verkaufen! Teufel noch mal, ich hätte auch gerne einen Journalistenausweis wie du. Wettest du gegen Dubois? Ich setze zehn Franken. Ah, da ist er ja!«, rief er, als er einen mittelgroßen Mann mit Schirmmütze erblickte. »Da ist meine Karte, auf Wiedersehen!« Und fort war er.
    In diesem Augenblick sagte zu mir eine Frauenstimme, sehr ruhig und ohne die Intonation zu verändern, mit leicht ausländischem Akzent:
    »Verzeihen Sie, bitte, sind Sie wirklich Journalist?«
    Ich drehte mich um. Es war eine Frau von vielleicht fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jahren, gut gekleidet, mit einem ziemlich schönen, unbeweglichen Gesicht und nicht sehr großen grauen Augen; ihre klare und wohlgeformte Stirn wurde vom Hut nicht verdeckt. Mich verwunderte, dass sie einen Unbekannten ansprach, das schien mir untypisch für sie zu sein. Aber sie hatte mit solcher Schlichtheit und Ungezwungenheit gefragt, dass ich ihr umgehend zur Antwort gab, ja, ich sei tatsächlich Journalist und würde mich freuen, wenn ich ihr irgendwie von Nutzen sein könnte.
    »Ich habe keine Eintrittskarte mehr bekommen«, sagte sie, »würde mir aber den Boxkampf zu gerne ansehen. Könnten Sie mich nicht mit hineinnehmen?«
    »Ich will mich bemühen«, antwortete ich. Jedenfalls, nach langen Gesprächen in der Direktion und nach einem Trinkgeld für den Kontrolleur gelangten wir beide in den Saal, und ich überließ ihr meinen Sitz, den sie ohne alle Verlegenheit annahm; ich blieb neben ihr stehen, unmittelbar an der Steinbarriere, die unsere Plätze von den anderen trennte. Danach schaute sie kein einziges Mal zu mir her und fragte nur vor Beginn des Kampfes, fast ohne den Kopf zu wenden:
    »Was meinen Sie, wer wird gewinnen?«
    »Johnson«, sagte ich.
    Doch da erschienen bereits Boxer im Ring, und das Gespräch endete. Die beiden Wettkämpfe, die dem Championat vorausgingen, waren völlig uninteressant. Endlich kam der Moment, da der Hauptkampf beginnen sollte. Ich erblickte die breite und stämmige Gestalt von Dubois im dunkelrosa Frotteemantel; er kam zum Ring, begleitet von seinem Manager und zwei Männern, die demonstrativ die Handtücher hielten. Sein dumpfes und ruhiges Gesicht zeigte das übliche gleichgültige Lächeln. Die Menge applaudierte und brüllte, von oben waren anfeuernde Rufe zu hören:
    »Vas-y, Mimile! Fais lui voir! Tape dedans! T’as qu’à y aller franchement!« 8
    Ich hatte nicht bemerkt, von wo Johnson zum Ring gekommen war; er kroch buchstäblich unterm Seil durch und stand auf einmal neben Dubois. Wie das manchmal so ist, war an einer einzigen zufälligen Bewegung, daran nämlich, wie er sich unters Seil beugte und hinterher aufrichtete, zu sehen, dass sein gesamter Körper über eine ideal ausgeglichene Geschmeidigkeit verfügte. Er trug einen dunkelblauen Bademantel mit Längsstreifen. Als die beiden die Bademäntel ablegten, sprang der Unterschied zwischen ihnen regelrecht ins Auge. Dubois wirkte viel breiter und schwerer als sein Gegner. Von neuem sah ich seine runden, kräftigen Schultern, die behaarte Brust und die dicken, muskulösen Beine. An Johnson verblüfften mich vor allem

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