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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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Informationen, die den meisten Zuschauern und selbst den meisten Journalisten unbekannt waren, und darum hatte ich einigen Anlass, so zu denken. Dubois kannte ich schon lange; während der letzten Jahre hatte er nicht eine Niederlage erlitten. Trotzdem konnte man ihn keinesfalls einen außergewöhnlichen Boxer nennen. Er hatte von Natur zweifellos die Voraussetzungen, aber sie bestanden eher im Fehlen gewisser Mängel, nicht in einer Fülle von Vorzügen; er zeichnete sich durch ein ungewöhnliches Stehvermögen aus, konnte eine Vielzahl härtester Schläge aushalten, Lunge und Herz waren hervorragend, sein Atem unerschöpflich. So weit seine positiven Eigenschaften, allerdings genügten sie nicht, um ihm eine ausgeprägte professionelle Individualität zuzusprechen. Die Taktik, die er anwandte – stets ein und dieselbe –, zeugte davon, dass ihm jedwede Inspiration oder Phantasie völlig abging; ein paarmal hatte sich seine Taktik als erfolgreich erwiesen, daraufhin wurde er ihr nie mehr untreu. Er hatte kurze Arme, war nicht schnell genug und nicht geschickt genug. Die Kämpfe gewann er dank seiner häufigen corps à corps 7 , seine Schläge trafen immer die Rippen des Gegners, und in seiner gesamten Karriere gab es nur zwei klassische Knockouts, beide vollkommen zufällig. Seine Ohren waren längst plattgeschlagen und die Nase durch direkte Treffer eingeknickt; gewöhnlich ging er wie ein Stier, den kräftigen Schädel gesenkt, auf seinen Gegner los und ertrug alle Schläge mit unbestreitbarer und dumpfer Tapferkeit. Er war Europameister im Halbschwergewicht, und diesmal sagte ihm die gesamte Presse einen schnellen Sieg voraus. Im Privatleben war er ein dummer und sehr gutmütiger Mensch, ansonsten hatte er nie etwas an Journalisten auszusetzen, ganz gleich, was sie über ihn schrieben; er konnte überdies nur mit Mühe lesen und interessierte sich kaum für Zeitungen.
    Von Fred Johnson wusste ich nur, was amerikanische Journalisten über ihn geschrieben hatten. Es kostete viel Arbeit, um aus all der Masse von Reklameartikeln leidlich brauchbare Informationen für ein Urteil über ihn herauszufiltern. Johnson hatte die Universität nicht abschließen können, da ihm das Geld nicht reichte, und ebendies hatte ihn veranlasst, den Beruf des Boxers zu ergreifen. Schon allein das war einigermaßen ungewöhnlich. Seine zweite, nun rein professionelle Besonderheit war, dass er fast alle seine Wettkämpfe bis zur letzten Runde durchzog. Die dritte bestand darin – und das bedauerten rundweg alle, die über ihn schrieben –, dass er nicht über genügend Schlagkraft verfügte und die Zahl der Knockouts in seiner Karriere mehr als gering war. Es gab sie zwar von Zeit zu Zeit, und das rief jedesmal allseitige Verwunderung hervor, aber weil es selten vorkam, geriet es rasch in Vergessenheit. Alle, die über ihn schrieben, hoben stets die ungewöhnliche Schnelligkeit seiner Bewegungen hervor und die Vielfalt seiner Taktik. Ich hatte schon oft Photographien von ihm gesehen: Johnsons Gesicht war, im Gegensatz zu den Gesichtern der meisten Berufsboxer, nicht verunstaltet. Nachdem ich einige Dutzend Artikel über ihn gelesen und die Resultate seiner Kämpfe studiert hatte, war ich zu ein paar rein theoretischen Schlüssen gelangt, und diese zu überprüfen interessierte mich nun besonders. Es handelte sich um die folgenden Schlüsse. Erstens war Johnson, zumindest in seinen Auftritten als Boxer, intelligent, was ihm automatisch einen Riesenvorteil gegenüber seinen Gegnern verschaffte; ich liebe den Boxsport sehr, habe aber längst erkannt, dass sämtliche Illusionen über eine rasche Auffassungsgabe der Boxer und über eine elementare Gewandtheit ihrer Vorstellungskraft, sei es auch in rein technischem Sinne, meistens – in neunzig von hundert Fällen – völlig verfehlt sind. Zweitens verfügte er offensichtlich über nicht weniger Ausdauer als Dubois, denn nur ein Boxer mit außergewöhnlichen körperlichen Voraussetzungen konnte sich den Luxus erlauben, jedesmal zehn oder fünfzehn Runden durchzuhalten. Drittens beherrschte er hervorragend die Technik der Verteidigung; der beste Beweis war sein Gesicht, das in seiner gesamten Karriere nicht ernsthaft gelitten hatte. Und schließlich das letzte und wichtigste: Er verfügte, so schien mir, wenn es absolut notwendig war, über genügend Schlagkraft für einen Knockout, setzte ihn jedoch nur in äußerst seltenen Fällen ein, da er es vorzog, nach Punkten zu siegen.

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