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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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besser kennen, gäbe ich Ihnen zur Antwort… Wissen Sie, was ich Ihnen zur Antwort gäbe?«
    »Das ist unschwer zu erraten.«
    »Aber da wir uns beide noch zu wenig kennen, werde ich den Satz nicht sagen.«
    »Ich weiß Ihre Liebenswürdigkeit zu schätzen.«
    »Also erwarte ich Sie heute Abend?«
    »Ich werde mich bemühen, pünktlich zu sein.«
    Um halb acht betrat ich das Haus, in dem sie wohnte; ihre Wohnung lag im ersten Stock. Kaum hatte ich geklingelt, ging die Tür auf – und fast wäre ich vor Verwunderung einen Schritt zurückgetreten: Vor mir stand eine riesige Mulattin, die kein Wort sagte und mich aus weit offenen Augen schweigend ansah. Im ersten Moment überlegte ich, ob ich mich im Stockwerk geirrt hatte. Aber als ich fragte, ob ich Madame Armstrong sehen könnte, antwortete sie:
    »Yes. Oui, monsieur.«
    Sie drehte sich um und begab sich zu einer zweiten Tür, die offenbar in die Wohnung führte; sie ging vor mir her, und ihr gewaltiger Körper füllte den Korridor in seiner ganzen Breite. Dann brachte sie mich in den Salon; an den Wänden hingen einige Stillleben recht zufälliger Provenienz, wie mir schien, auf dem Boden lag ein blauer Teppich, die Polstermöbel waren mit blauem Samt bezogen. Ein paar Augenblicke betrachtete ich das Bild eines ellipsenförmigen, in gelber Farbe gemalten Tellers, auf dem zwei aufgeschnittene und drei unaufgeschnittene Apfelsinen lagen – da trat Jelena Nikolajewna herein. Sie trug ein braunes Samtkleid, das ihr sehr gut stand, ebenso wie ihre Frisur, die den unbeweglichen Charme ihres kaum geschminkten Gesichts hervorhob. Aber ihre Augen kamen mir diesmal viel lebendiger vor als neulich, bei unserer ersten Begegnung.
    Ich begrüßte sie und sagte, die Mulattin, die mich eingelassen hatte, habe mich stark beeindruckt. Jelena Nikolajewna lächelte.
    »Sie heißt Anny«, sagte sie, »ich nenne sie little Anny, erinnern Sie sich, einen solchen Film gab es einmal.«
    »Ja, little Anny passt gut zu ihr. Wo haben Sie sie her?«
    Sie erklärte mir, Anny sei in New York in ihren Dienst getreten und reise immer mit ihr, und da Anny eine Zeitlang in Kanada gelebt habe, spreche sie auch Französisch; außerdem koche sie hervorragend, wovon ich mich gleich selbst überzeugen könne. Anny war tatsächlich eine wunderbare Köchin, so hatte ich lange nicht mehr gespeist.
    Jelena Nikolajewna erkundigte sich, womit ich mich im Laufe dieser Woche abgegeben hätte. Ich erzählte ihr von der zerstückelten Frau, von dem jüngsten Bankrott, vom Verschwinden des jungen Mannes und schließlich vom Zeitungsauftritt des Managers von Dubois.
    »Und daraus besteht die Arbeit bei der Zeitung?«
    »Ungefähr.«
    »Ist das immer so?«
    »Meistens.«
    »Und Sie meinen, das passe zu Ihnen?«
    Ich trank Kaffee, rauchte und dachte, wie weit doch dieses Gespräch von meinen Gefühlen und meinen Wünschen entfernt sei. Ich war sprachlos trunken von ihrer Gegenwart, und je länger es dauerte, desto stärker spürte ich, wie mir über diesen Zustand, gegen den keine Anstrengung etwas auszurichten vermochte, jegliche Macht entglitt. Ich wusste, dass ich mich vollkommen schicklich verhielt, dass meine Augen klar blickten und ich nach wie vor ein normaler Gesprächspartner war – aber ich wusste ebenso gut, dass dieser Anschein Jelena Nikolajewna nicht in die Irre führen konnte, und sie begriff ihrerseits, dass ich das wusste. Am natürlichsten wäre gewesen, wenn ich zu ihr gesagt hätte: Meine Liebe, Sie täuschen sich nicht, sollten Sie meinen, dieses Gespräch habe weder etwas mit den Gefühlen zu tun, die ich in diesem Augenblick empfinde, noch mit denen, die Sie wahrscheinlich empfinden. Und ebenso gut wissen Sie, was ich jetzt in Worte fassen müsste. Doch stattdessen sagte ich:
    »Natürlich nicht, ich befasste mich lieber mit Literatur, aber leider ist das nicht möglich.«
    »Sie zögen es vor, lyrische Erzählungen zu schreiben?«
    »Warum ausgerechnet lyrische Erzählungen?«
    »Mir scheint, das müsste Ihr Genre sein.«
    »Und das sagen Sie mir, nachdem wir beide uns während eines Boxkampfs kennengelernt und nachdem Sie, wie ich hoffe, zumindest meine Vorhersagen über seinen Ausgang schätzen gelernt haben?«
    Sie lächelte erneut.
    »Vielleicht täusche ich mich. Aber es kommt mir andauernd so vor, als würde ich Sie schon sehr lange kennen, obwohl ich Sie erst zum zweiten Mal im Leben sehe.«
    Das war ihr erstes Geständnis und der erste Schritt, den sie tat.
    »Es heißt, das sei ein

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