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Phantom des Alexander Wolf

Phantom des Alexander Wolf

Titel: Phantom des Alexander Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Gasdanow
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ein anderes Zimmer und ich folgte ihr. Wir machten nur ein paar Schritte, aber in diesen wenigen Augenblicken fuhr mir noch durch den Sinn, mit welch überraschendem und im Grunde unnatürlichem Tempo alles geschah. Vom Abend meiner ersten Begegnung mit ihr trennten mich nur acht Tage, und doch war der Abstand riesig, von langer Dauer. Ich wusste, dass meine Gefühle sich trotz ihrer primitiven Wucht, die mein größter Fehler war, gewöhnlich mit schwerfälliger Zögerlichkeit entwickelten; diesmal aber hatte ich mich die ganzen acht Tage in der Macht dieser Gefühlsbewegung befunden und mir dennoch bis zum letzten Moment nicht vorstellen können, wie tief und unwiderruflich es mich gepackt hatte. Ich glaube, dass Jelena Nikolajewna kraft einer, wie immer unerklärlichen, Übereinstimmung des Gefühls annähernd das gleiche empfand wie ich; ihre Empfindungen entsprachen den meinen – wie ein konkaves Glas einem konvexen entspricht, dank seiner gleichartigen Krümmung, dem Ergebnis ein und derselben zweifachen Bewegung. Es lag darin das gleiche unbegreifliche Ungestüm, das für sie noch weniger charakteristisch zu sein schien als für mich. Diese Gedanken waren verworren und ungenau wie alles, was ich damals fühlte, erst später fielen sie mir wieder ein und gewannen in meiner Vorstellung jene annähernd klar umrissene Form, die sie im Verlauf dieser kurzen Augenblicke nicht haben konnten. Außerdem kamen sie mir damals vollkommen unwichtig vor.
    Sie ließ mich vortreten, schloss dann die Tür und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Wir waren in einem kleineren Zimmer, das ich damals nicht weiter betrachtete; nur einen breiten Diwan, über dem ein Wandleuchter mit kleinem blauem Lampenschirm brannte, ein Tischchen und auf dem Tischchen Aschenbecher und Telefon nahm ich wahr. Sie setzte sich auf den Diwan, ich blieb einen Augenblick vor ihr stehen, und sie sagte noch:
    »Nun, jetzt…«
    Durch einen Nebel stürmischer Sinnestrübung erblickte ich endlich ihren Körper mit den angespannten Muskeln unter der glänzenden Haut ihrer Arme. Sie legte sich, die Arme hinterm Kopf gekreuzt, auf den Rücken, ohne das mindeste Zeichen von Scham, und schaute mir aus unfassbar ruhigen Augen ins Gesicht – es kam mir fast unglaublich vor. Sogar als ich später, und es war das erste Mal in meinem Leben, eine unerklärliche Einheit von rein seelischem Gefühl und körperlicher Empfindung erlebte, die mein gesamtes Bewusstsein und alles, buchstäblich alles überflutete, sogar die entferntesten Muskeln meines Körpers, als sie mit einer, sollte man meinen, hier überhaupt nicht passenden, zögerlichen Intonation sagte: Du tust mir weh, worin weder Klage lag noch Protest, und als sie, noch einige Zeit später, in krampfhaftem Zittern erbebte, waren ihre Augen noch genauso ruhig, fast wie die eines Toten. Nur schienen sie mir im allerletzten Augenblick plötzlich sehr fern zu sein, so fern wie auch manche Nuancen ihrer Stimme.
    Sie konnte keineswegs, zumindest was mich betrifft, als vorzügliche Liebhaberin bezeichnet werden, ihre körperlichen Reaktionen waren verzögert, und die letzten Augenblicke der Umarmung ließen sie oft einen inneren Schmerz empfinden; dann schlossen sich ihre Augen, und ihr Gesicht verzog sich unwillkürlich zur Grimasse. Doch unterschied sie sich von anderen Frauen dadurch, dass sie eine äußerste und aufreibende Anspannung aller Kräfte herausforderte, seelischer wie körperlicher, und dass die Nähe zu ihr, so meine verworrene Empfindung, eine unwiderruflich zerstörerische Anstrengung verlangte; in diesem untrüglichen Vorgefühl bestand, denke ich, ihre unwiderstehliche Anziehungskraft. Bereits nach dem ersten Erleben ihrer körperlichen Nähe wusste ich, wobei jeglicher Irrtum völlig ausgeschlossen war, dass ich dies niemals vergessen würde und es vielleicht das letzte wäre, woran ich mich im Sterben erinnerte. Ich wusste es von vornherein und wusste, dass mir, ganz gleich, wie mein Leben verliefe, Bedauern und schwere Betrübnis nicht erspart blieben, weil dies ohnehin vergehen würde, verschlungen von Tod oder Zeit oder Entfernung, und das gleißende innere Licht dieser Erinnerung in meinem Dasein viel zu viel seelischen Raum einnehmen und keinen Platz lassen würde für andere Dinge, die mir vielleicht noch beschieden wären.
    Es war bereits tief in der Nacht, Jelena Nikolajewna konnte ihre Müdigkeit nicht verbergen. Ich fühlte mich wie im Fieber, meine Augen waren entzündet, und es kam

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