Phantom
Wohnzimmer zurück. Während Vander die benötigten Utensilien ins Bad schaffte, ließen Wesley und ich den Blick über das Sofa, den Fernsehapparat und den besprühten Boden wandern. Jetzt, da das Licht brannte, deutete nichts auf die Wiedererstehung des Horrorspektakels hin, die wir im Dunkeln erlebt hatten.
»Ich kann es nicht fassen«, sagte Wesley, »das Blut ist im ganzen Haus. Ich frage mich, was er nach dem Mord noch gesucht hat. Man sollte doch meinen, daß er es eilig hatte, hier rauszukommen.« Er stand neben einem der zugeklebten Fenster. »Wenn man sich vorstellt, daß dieser Professor Potter seit Jahren auf einem blutverschmierten Sofa sitzt…«
Immer wieder blitzten weiße Bilder vor meinem geistigen Auge auf. »Die Polizei ging damals davon aus, daß Robyn vor dem Fernseher getötet wurde«, dachte ich laut. »Aber dank des Luminols wissen wir jetzt, daß es nicht so war: Er tötete sie auf dem Sofa! Benton, ich muß mal kurz raus. Wenn Potter nicht so ein unappetitlicher Patron wäre, würde ich eine Zigarette von ihm klauen.«
»Sie waren schon zu lange standhaft«, gab Wesley zu bedenken. »Eine Camel ohne Filter würde Sie umwerfen. Sie sehen ohnehin etwas blaß aus. Gehen Sie Luftschnappen! Ich fange schon mal mit dem Aufräumen an.«
Als ich hinausging, hörte ich Papier reißen: Wesley ließ wieder Tageslicht ins Haus.
Vander hatte die Videoaufnahmen auf Kassette überspielt und mir am späten Nachmittag eine Kopie gegeben. Wesley und ich setzten uns in meinem Wohnzimmer vor den Fernseher, machten uns Notizen und zeichneten Diagramme, während wir das Bildmaterial langsam durchgingen. Lucy bereitete währenddessen das Abendessen vor und kam nur ab und zu kurz herein, um zu spionieren. Die grafischen Bilder auf dem dunklen Schirm flößten ihr keine Furcht ein. Ich hatte ihr nicht erklärt, was sie darstellten, und sie konnte sich gottlob keinen Reim darauf machen.
Um halb neun waren Benton und ich mit der Durchsicht fertig. Wir waren überzeugt, den Weg von Robyns Mörder komplett nachgezeichnet zu haben, von dem Moment an, als sie das Haus betrat bis zu dem Augenblick, als er es durch die Hintertür verließ. Das erste Mal in meiner Laufbahn hatte ich das Szenario eines Mordes rekonstruiert, der schon vor Jahren aufgeklärt worden war. Das Ergebnis war aus einem Grund besonders interessant. Es zeigte, daß das zutraf, was Benton im Homestead-Hotel zu mir gesagt hatte: Waddells Persönlichkeitsprofil paßte nicht zu dem eiskalten Monster, mit dem wir es jetzt zu tun hatten.
Robyns Eingangs-und Hintertür waren durch Riegel gesichert gewesen, die man ohne Schlüssel nicht öffnen konnte. Da Waddell durch ein Fenster eingestiegen war und das Haus durch die Hintertür verlassen hatte, nahm die Polizei an, daß sie nach ihrer Rückkehr vom Drugstore durch letztere hereinkam und keine Gelegenheit mehr hatte, sie wieder abzuschließen. Man vermutete, daß Waddell ihren Wagen kommen hörte, als er ihr Haus durchsuchte, in die Küche ging und ein Steakmesser von dem Brett an der Wand nahm. Als sie die Tür aufsperrte, packte er sie und zerrte sie ins Wohnzimmer. Aufgrund unserer neuesten Erkenntnisse gingen wir davon aus, daß er sie auf das Sofa stieß und sich auf sie stürzte. Offenbar hatte er sie nach dem ersten Messerstich ausgezogen, denn ihre Bluse wies nur an der Stelle einen Schnitt auf, an der er ihr die Waffe in die Brust gestoßen hatte. Die zahlreichen anderen Stiche und die Bisse hatte er ihr erst danach zugefügt. Nach Wesleys Meinung kam Waddell plötzlich zu sich und ließ von ihr ab. Dann erst trug er sie zum Fernsehgerät und lehnte sie dagegen. Anschließend bemühte er sich, das Blut zu beseitigen. Die ringförmigen Muster auf dem Boden rührten meiner Ansicht nach von einem Eimer her, den er immer wieder zwischen Bad und Wohnzimmer hin-und hertrug, weil er mehrfach das Wasser wechselte. Das würde auch die vielen blutigen Fußabdrücke erklären.
»Ein einfacher Farmerjunge kam in die Stadt und wurde deren Opfer«, sagte Wesley. »Ich bin sicher, daß er bis zu den Ohren mit irgendwelchem Stoff vollgepumpt war, als er Robyn tötete. Wie muß ihm zumute gewesen sein, als er plötzlich aus seinem Rausch erwachte und erkannte, was er getan hatte?«
Ein Holzscheit fiel in die Glut, und Funken stoben auf, als wir auf die Handabdrücke im Bad zu sprechen kamen.
»Die Abdrücke befinden sich ziemlich hoch über der Toilette«, sinnierte ich. »Dafür gibt es meinem
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