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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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kennenlernen.«
    Jenseits des Gittertores, das eine der Wände ersetzte, erstreckte sich ein langer, düsterer Korridor mit braunem Fliesenboden und Ziegelwänden.
    »Wann werden die letzten Insassen umquartiert?« fragte ich.
    »Ende der Woche.«
    »Und wer ist noch hier?«
    »Ein paar echte Gentlemen – Verrückte mit Sonderstatus: Sie sind im Westflügel in Zellenblock C an ihre Betten gefesselt. Aber keine Angst, da kommen wir nicht durch – das würde ich Ihnen nie antun. Einige dieser Typen haben seit Jahren außer Helen der Hunnin keine Frau mehr gesehen.«
    Ein kräftig gebauter junger Mann in der blauen Uniform des Gefängnispersonals erschien am Ende des Korridors und kam auf uns zu. Sein Gesicht war gutgeschnitten, aber hart. Er hatte ein energisches Kinn und kalte graue Augen. Die vermutlich schmale Oberlippe verdeckte ein dunkelroter Schnurrbart.
    Marino erklärte ihm, wer wir waren, und fügte hinzu: »Wir sind hier, um uns den Stuhl anzusehen.«
    »Ja, ich weiß. Mein Name ist Roberts – ich mache die ›Schloßführung‹ für Sie.« Schlüssel klirrten gegen die Gitterstäbe, als er die schwere Tür öffnete. »Direktor Donahue ist krank.« Das Krachen, mit dem er die Tür ins Schloß fallen ließ, hallte dröhnend von den Wänden wieder. »Tut mir lei d – wir müssen Sie zuerst d urchsuchen. Wenn Sie dort rüber gehen würden, Ma’am…«
    Er hatte gerade begonnen, mit einem Scanner an Marino entlangzufahren, als eine andere Gittertür sich öffnete und Helen aus der Anmeldung trat, eine Frau, von der ich mir nicht vorstellen konnte, daß sie je lächelte. Das Namensschild an ihrem ausladenden und dennoch völlig unweiblich wirkenden Busen wies sie als GRIMES aus.
    »Ihre Tasche!« bellte sie.
    Ich gab ihr meine Instrumententasche, in der sie herumkramte, dann drehte sie mich grob hin und her, tastete mich übertrieben gründlich mit den Händen ab und ließ dann ihren Scanner über meinen Körper gleiten. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach einer Sagrotan-Dusche. Als sie fertig war, nickte sie brüsk und kehrte in ihre vergitterte Höhle zurück.
    Marino und ich folgten Roberts durch eine Reihe von Türen, die er jeweils auf- und hinter uns wieder zusperrte. Das Klirren von Metall gegen Metall hallte durch die kalte Luft. Roberts stellte keine Fragen und sprach nur das Nötigste. Offenbar glaubte er, daß dieses Verhalten zu seiner heutigen Aufgabe paßte. Ich war nicht ganz sicher, ob er sich als Fremdenführer oder als Wachhund sah.
    Wir bogen rechts um eine Ecke und betraten den ersten Zellenblock, ein riesiges, grüngestrichenes, zugiges Areal mit vier Zellenreihen, über die sich eine mit Stacheldrahtrollen gesicherte Gitterdecke spannte. Entlang der Mitte des braungefliesten Ganges waren plastikumh üllte Matratzen aufgestapelt, Besen und Mops standen herum. Tennisschuhe, Jeans und andere persönliche Dinge lagen auf den Fensterbrettern, und in vielen Zellen waren Fernsehapparate, Bücher und Feldkisten zurückgeblieben, als sei es den Häftlingen nicht gestattet worden, ihre gesamte Habe ins »neue Heim« mitzunehmen. Vielleicht war das auch die Erklärung für die an die Wände geschmierten Obszönitäten.
    Wieder wurden Türen aufgesperrt, und plötzlich standen wir im Hof, einem Geviert aus braunem Gras. Es gab keinen einzigen Baum. An den vier Ecken ragten Wachtürme in die eisige Luft. Die Männer, die dort Dienst taten, hatten schwere Mäntel an und Gewehre im Anschlag. Schnell und schweigend überquerten wir den Hof. Es regnete noch immer. Nachdem wir einige Stufen hinuntergestiegen waren, standen wir in einem Korridor, der zu einer besonders massiven Eisentür führte.
    »Der Ostkeller«, erklärte Roberts und steckte den Schlüssel ins Schloß. »Die Endstation.«
    Wir traten ein.
    An der Ostwand befanden sich fünf Zellen, jede mit Eisenbett, weißem Porzellanwaschbecken und ebensolcher Toilette ausgestattet. Vor den Zellen standen in der Mitte des Raumes ein großer Tisch und mehrere Stühle. Hier saßen, wenn eine der Todeszellen besetzt war, rund um die Uhr Wachen.
    »Waddell saß in Nummer zwei.« Roberts deutete auf einen der Käfige. »Laut Gesetz mußte ein Häftling fünfzehn Tage vor seiner Hinrichtung hierhergebracht werden. In Waddells Fall war das am 28. November.«
    »Wer hatte Zugang zu ihm, während er hier war?« fragte Marino.
    »Die Leute, die immer Zugang zu dieser Abteilung haben: Behördenvertreter, der Geistliche und die Mitglieder des

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