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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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verbunden.«
    Jedesmal, wenn das Blitzlicht aufflammte, erschrak ich: Die Umgebung machte mich zusehends nervös.
    »Der Mann schloß sozusagen den Stromkreis«, sagte Roberts.
    »Wann fing er an zu bluten?« fragte ich.
    »Unmittelbar nach dem ersten Stromstoß, Ma’am. Und er hörte nicht auf, bis alles vorbei war. Dann wurde der Vorhang zugezogen, und die Zeugen konnten ihn nicht mehr sehen. Drei Mitglieder des Todesteams machten sein Hemd auf, und der Doc hörte ihn mit dem Stethoskop ab, fühlte an der Halsschlagader nach dem Puls und erklärte ihn dann für tot. Waddell wurde auf eine Bahre gelegt und in die Abkühlkammer gebracht, die ich Ihnen auch noch zeigen werde.«
    »Was sagen Sie zu der Behauptung, daß der Stuhl nicht ordnungsgemäß funktioniert hat?« wollte ich wissen.
    »Reiner Blödsinn! Waddell war ein übergewichtiger Riese und, schon bevor er auf dem Stuhl saß, so aufgeregt, daß sein Blutdruck wahrscheinlich gar nicht mehr zu messen gewesen wäre. Nachdem er für tot erklärt worden war, kam wegen der Blutung der stellvertretende Direktor herüber, um ihn sich anzusehen. Waddells Augen waren nicht aus den Höhlen getreten, die Trommelfelle waren okay. Er hatte stinknormales Nasenbluten – wie jemand, der sich auf der Toilette zu sehr anstrengt.«
    Ich gab ihm im stillen recht: Waddells Blutung war auf einenÜberdruck im Nasen-Rachen-Raum oder einen abrupten Druckanstieg in der Brust zurückzuführen. Nicholas Grueman würde wenig Freude an dem Bericht haben, den er von mir bekäme.
    »Welche Tests wurden durchgeführt, um sicherzugehen , daß der Stuhl einwandfrei funktionierte?« fragte Marino.
    »Die gleichen wie sonst auch. Zuerst waren die Leute von Virginia Power dran.« Er deutete auf zwei graue Stahltüren, die hinter dem Stuhl in die Wand eingelassen waren. »Dahinter sind zwanzig Zweihundert-Watt-Glühbirnen auf Sperrholz montiert – für Tests. Diese werden in der Woche vor der Hinrichtung täglich durchgeführt, am Tag der Hinrichtung dreimal, und dann noch mal in Gegenwart der Zeugen, bevor es endgültig ernst wird.«
    »Ja, daran erinnere ich mich.« Marino nickte und schaute zu der verglasten Zeugenkabine hinüber, die höchstens viereinhalb Meter vom elektrischen Stuhl entfernt war. Zwölf in drei Reihen aufgestellte schwarze Plastikstühle standen dort.
    »Alles lief wie geschmiert«, sagte Roberts.
    »Jedesmal?« fragte ich.
    »So ist es.«
    »Und der Schalter, wo befindet sich der?«
    Er zeigte auf ein Kästchen an der Wand rechts von der Zeugenkabine. »Der Strom wird hier per Schlüssel eingeschaltet, aber der Knopf, der den Stromstoß auslöst, befindet sich im Kontrollraum. Der Direktor oder ein Bevollmächtigter dreht erst den Schlüssel herum und drückt später auf den Knopf.
    Wollen Sie ihn sehen?«
    »Ja, bitte.«
    Der todbringende Auslöser befand sich in einem kleinen Raum hinter der Wand, vor der der Stuhl stand – eine Anlage mit verschiedenen Reglern, mittels derer man die Stromstärke bis zu dreitausend Volt hochschrauben konnte. Eine Reihe von Kontrollämpchen zeigte an, ob alles in Ordnung war.
    »In Greensville funktioniert das alles computergesteuert«, sagte Roberts.
    In einem Holzschrank waren der Helm, die Beinkontaktplatte und zwei dicke Verbindungskabel untergebracht, die, wie Roberts ausführte, mit den kupfernen Flügelmuttern an die Zuleitungen angeschlossen werden. »Es ist genauso einfach, als würden Sie einen Videorecorder anschließen.«
    Der Helm und die Beinplatte waren aus perforiertem Kupfer. Durch die Löcher waren mit Baumwollfäden die Schwammpolster an der Innenseite fixiert. Der Helm war überraschend leicht und wies an den Verbindungen der einzelnen Platten Spuren von Grünspan auf. Ich konnte mir nicht vorstellen, mir ein solches Ding auf den Kopf setzen zu lassen. Die schwarze Maske bestand aus einem breiten Lederstreifen, der am Hinterkopf geschlossen wurde; für die Nase war ein Dreieck ausgeschnitten. Hätte ich dieses Ding im Tower von London ausgestellt gesehen, ich hätte seine Echtheit keinen Moment angezweifelt.
    Wir verließen die Kammer und gingen an einem Transformator vorbei, von dem aus Leitungen zur Decke führten. Und wieder sperrte Roberts eine Tür auf.
    »Das ist der Abkühlraum«, erklärte er. »Wir haben Waddell hier reingeschoben und auf diesen Tisch gelegt.« Der Tisch war aus Stahl, an den Nahtstellen fraß der Rost. »Wir ließen ihn zehn Minuten lang abkühlen und legten während dieser Zeit Sandsäcke

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