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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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stieg der Junge zu ihm ins Auto.«
    »Meine Untersuchungsergebnisse unterstützen diese Version.« Ich nickte. »Er hatte keine Verletzungen, die darauf schließen lassen, daß er sich gewehrt hat Im Laden, hat ihn da keiner mit jemandem sprechen sehen?«
    »Zumindest niemand, mit dem ich gesprochen habe, aber Sie sehen ja, wie es da drin zugeht, und auf der Straße war es dunkel. Wenn jemand etwas beobachtet hat, dann wahrscheinlich ein Kunde, der gerade ankam oder zu seinem Wagen zurückging. Ich habe vor, die Medien einzuschalten: Wir müssen uns an die Öffentlichkeit wenden – vor allem an die Leute, die um die fragliche Zeit hier waren. ›Crime Stoppers‹ wird den Fall auch bringen.«
    »Man sollte doch meinen, daß ein Junge in Eddies Alter nicht so vertrauensselig ist«
    »Wenn so ein Typ es klug anstellt, kann er jedes Kind einseifen. Ich hatte in New York einen Fall, wo ein zehnjähriges Mädchen von der Mutter zum Einkaufen geschickt wurde. Als die Kleine aus dem Laden kam, fing so ein Kinderschänder sie ab und erzählte ihr, ihre Mutter sei ins Krankenhaus eingeliefert worden und der Vater schicke ihn, um sie dorthinzubringen. Sie stieg zu ihm ins Auto – und endete als weiterer Fall für die Statistik.« Er sah mich an. »Na – schwarz oder weiß?«
    »Wie bitte?«
    »Der Täter.«
    »Ich tippe auf weiß.«
    Marino wartete auf eine Lücke im Verkehrsstrom. »Ich auch. Eddies Vater mag keine Schwarzen, und Eddies Einstellung dürfte entsprechend gewesen sein. Es ist also unwahrscheinlich, daß sich ein Schwarzer sein Vertrauen erschlichen hat. Außerdem: Wenn Leute einen weißen Jungen mit einem weißen Erwachsenen sehen, denken sie sich nichts.« Er bog nach rechts ab und fuhr in westlicher Richtung. »Weiter, Do c – was noch?« Marino liebte dieses Spiel, gleichgültig, ob ich so dachte wie er oder seiner Ansicht nach völlig auf dem Holzweg war. »Ich nehme an, daß er nicht aus dem Viertel mit den Sozial w ohnungen kam.«
    »Wieso?«
    »Die Tatwaffe war eine Zweiundzwanziger – keine Neun-oder Zehnmillimeter und auch kein großkalibriger Revolver, wie sie von den Leuten dort bevorzugt werden – und zudem war es kein Raubüberfall.«
    Der dichte Verkehr machte ein schnelles Vorwärtskommen unmöglich. Vorweihnachtstrubel. Ich gehörte zu den wenigen, die für Weihnachten keine Vorbereitungen trafen. Der leerstehende Lebensmittelladen an der Patterson Avenue war ein häßlicher Backsteinklotz mit vernagelten Fenstern. Links schlossen sich eine Apotheke, eine Schuhreparaturwerkstatt, eine Reinigung, ein Eisenwarenladen und ein italienisches Restaurant an.
    »Die Läden waren schon zu, als Eddie hierhergebracht wurde«, sagte Marino, »und das Restaurant hatte Ruhetag.«
    »Wissen Sie, seit wann der Lebensmittelladen leersteht?«
    »Seit etwa zwei Jahren.« Wir bogen in eine schmale Gass e ein. Das Licht der Scheinwerfer leckte an Ziegelmauern hinauf und begann zu tanzen, als der ungepflasterte Boden uneben wurde. Hinter dem Lebensmittelladen trennte ein Maschendrahtzaun einen Streifen rissigen Asphalts von einer Baumgruppe. Zwischen den kahlen Ästen schimmerten das Licht der Straßenbeleuchtung und das Reklameschild eines Hamburger-Restaurants hindurch. Marino hielt an. Jetzt beleuchteten die Scheinwerfer einen Müllcontainer, dessen Farbe an vielen Stellen abgeblättert war und Rostflecken Platz gemacht hatte.
    Marino stemmte die Hände gegen das Lenkrad und machte einen runden Rücken. Dann massierte er angestrengt seinen Nacken.
    »Ich werde alt«, stellte er mißmutig fest. »Im Kofferraum ist ein Regenmantel.«
    »Ziehen Sie ihn an, ich bin nicht aus Zucker.« Ich öffnete die Tür, klappte meinen Kragen hoch und zog den Kopf ein. Die Regentropfen waren so hart und kalt wie winzige Eiswürfel. Der Müllcontainer stand etwa zwanzig Meter von der Rückseite des Lebensmittelladens entfernt in der Nähe des Drahtzaunes. Er konnte nur von oben geöffnet werden.
    »War der Deckel des Containers offen oder geschlossen, als die Polizei kam?« fragte ich Marino.
    »Geschlossen.« Wegen der Kapuze seines Regenmantels mußte er den ganzen Körper drehen, um mich ansehen zu können. »Um da hochzukommen, braucht man eine Trittleiter, aber es gab weit und breit keine, und demzufolge war der Container leer. Wenn man den Deckel anhebt, rastet er normalerweise alle paar Zentimeter ein. Bei diesem Ding hier sind aber die Bolzen abgebrochen. Man muß den Deckel ganz hochheben und auf die andere Seite

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