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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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eindrucksvolle Metapher!«
    Ich mußte lachen. »Gut gekontert.«
    Marino griff nach dem Salz, doch ich war schneller. »Nein! Aber Sie können Pfeffer nehmen.« Ich schob ihm den Streuer hin. »Soviel Sie wollen.«
    »Dieser Gesundheitsquatsch wird mich noch umbringen«, grollte er. »Ich werde es nämlich eines Tages so satt haben, ewig aufzupassen, daß ich dann alle Fehler auf einmal mache: Ich rauche zwei Zigaretten gleichzeitig, schütte mir einen doppelten Bourbon in meinen Kaffee-Eimer und klatsche einen großen Klecks Butter und Sauerrahm auf die gebackene Kartoffel zu meinem Riesensteak, auf das ich reichlich Salz streue. Auf diese Weise brennen dann alle Sicherungen gleichzeitig durch.«
    »Nein!« widersprach ich heftig. »Sie werden nichts dergleichen tun! Sie werden gefälligst auf sich aufpassen und mindestens so lange leben wie ich!«
    Wir verfielen in Schweigen.
    Schließlich sagte Marino: »Was haben Sie eigentlich mit diesen blöden Federn im Sinn?«
    »Ich will klären, wo sie herkommen.«
    »Die Mühe kann ich Ihnen ersparen. Sie stammen von Vö geln.«
    Kurz vor sieben trennten wir uns, und ich fuhr ins Büro zurück. Es war noch wärmer geworden, und es goß dermaßen, daß die Scheibenwischer der Wassermassen nicht Herr wurden. Die Autos krochen im Schrittempo dahin. Die Natriumdampflampen übergossen den leeren Parkplatz des Leichenschauhauses mit blütenstaubgelbem Licht. Als ich am Autopsieraum vorbei zu Susans Büro ging, beschleunigte sich mein Puls.
    Alles sah so aus wie vor ihrem Tod: Marino beherrschte die Kunst, ein Zimmer zu durchsuchen, ohne dessen charakteristischen Zustand zu ändern. Das Telefon stand immer noch schräg auf der rechten Schreibtischecke, die Schnur war immer noch völlig verdreht. Auf der grünen Schreibunterlage lagen zwei abgebrochene Bleistifte und eine Schere, über der Stuhllehne hing ein Laborkittel. Am Computermonitor klebte ein Merkzettel für einen Arzttermin, und als ich Susans ordentliche, sanft geschwungene Handschrift betrachtete, kamen mir die Tränen. Ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl und rollte mit ihm zum Aktenschrank. Die Ordner enthielten hauptsächlich Prospekte für Dinge, die wir bei der Arbeit brauchten. Nichts erschien mir merkwürdig – bis ich entdeckte, daß Susan alle Hausmitteilungen von Fielding aufgehoben hatte, jedoch keine von Ben Stevens oder mir. Ich durchsuchte die Schubladen und Regale: nichts. Die einzige Erklärung war, daß jemand die betreffenden Ordner weggenommen hatte.
    Als erstes fiel mir Marino ein. Nein, der hätte mir das bestimmt gesagt. Und dann kam mir der Gedanke, der mich augenblicklich aufspringen ließ. Ich stürzte aus dem Zimmer, fuhr hinauf, sperrte mein Büro auf und ging zum Kommodenschrank. Die dicke Mappe, die ich suchte, war schlicht mit MEMOS beschriftet und enthielt Kopien sämtlicher Mitteilungen, die ich im letzten Jahr an meine Angestellten geschickt hatte. Sie war nicht da. Vielleicht lag sie bei Rose. Auch dort fand ich sie nicht. Sicherheitshalber schaute ich alle meine Schubladen durch – ohne Ergebnis.
    »Dieser Mistkerl!« murmelte ich, als ich wütend den Flur hinunterstürmte. »Dieser gottverdammte Mistkerl!«
    Ben Stevens’ Büro war so ordentlich und steril wie der Ausstellungsraum eines Möbelhauses. Der auf altenglisch getrimmte, mahagonifurnierte Schreibtisch mit den Messingbeschlägen wurde von Stehlampen mit Messingfüßen und dunkelgrünen Schirmen flankiert. Auf dem Boden lag ein maschinengeknüpfter Pseudoperser, und an den Wänden hingen große Poster von alpinen Skifahrern, Poloschläger schwingenden Reitern und Booten auf stürmischer See. Ich suchte Susans Personalakte heraus. Sie enthielt ihre Bewerbung, ihren Lebenslauf, Referenzen und einige andere Dokumente, doch fehlten die Kopien meiner lobenden Beurteilungen, die Stevens der Akte jeweils beifügen sollte. Ich nahm mir die Schreibtischschubladen vor. In einer fand ich einen braunen Vinylbeutel, der Zahnbürste, Zahnpasta, Rasierapparat und Rasiercreme enthielt und eine kleine Flasche Herrenparfüm. Ich schraubte sie gerade wieder zu, als ich plötzlich spürte, daß ich beobachtet wurde. Ich hob den Kopf: Ben Stevens stand in der Tür. Wir schauten einander schweigend an. Ich war nicht erschrocken, weil er mich ertappt hatte, ich fühlte mich nicht schuldbewußt – das einzige, was ich empfand, war Wut.
    »Sie sind ja ungewöhnlich lange da heute, Ben. Es ist schon fast neun.« Ich zog den Reißverschluß

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