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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Natürlich.«
    »Und er weiß, daß die fraglichen Geschosse Kaliber zweiundzwanzig haben?«
    »Ja. Ich habe an ihn hingeredet wie an einen kranken Gaul – ohne Erfolg.«
    »Nun, dann fragen Sie ihn in meinem Namen, ob er einen Adapter kennt, der es möglich macht, mit einem Achtunddreißiger-Revolver Zweiundzwanziger-Patronen abzufeuern. Wenn ihm ein solcher bekannt ist, sollte er bei der nächsten Tagung der American Academy of Forensic Sciences einen Bericht darüber vorlegen.«
    »Ich glaube nicht, daß Sie tatsächlich wollen, daß ich ihm das so ausrichte.«
    »Was er da macht, ist doch reine Effekthascherei vor der Öffentlichkeit. Es entbehrt jeglicher Logik.«
    Marino schwieg.
    »Hören Sie«, sagte ich ruhig, »ich habe keine Gesetze gebrochen, und ich gebe weder meine Bankunterlagen noch meine Revolver oder sonst etwas heraus, bevor ich mich habe beraten lassen. Ich verstehe, daß Sie Ihre Arbeit tun müssen, verstehen Sie aber auch bitte, daß ich meine tun muß. Ich habe unten drei Leichen liegen, und Fielding ist bei Gericht.«
    Aber es war mir nicht vergönnt, meinen Pflichten nachzukommen. Als Marino sich am Telefon verabschiedete, kam Rose herein. Sie war blaß, Aufregung sprach aus ihrem Blick.
    »Der Gouverneur will Sie sehen«, eröffnete sie mir.
    Mein Herz machte einen Satz. »Wann?«
    »Um neun.«
    Es war acht Uhr vierzig.
    »Was will er denn?«
    »Das hat die Sekretärin nicht gesagt.«
    Ich zog den Mantel an, nahm den Schirm und trat in den Eisregen hinaus. Während ich die 14th Street hinuntereilte, versuchte ich mich daran zu erinnern, wann ich Gouverneur Norring das letzte Mal gesehen hatte, und kam zu dem Schluß, daß es fast ein Jahr her war: bei einem Empfang im Virginia Museum. Er war Republikaner, Mitglied der Episkopalkirche und hatte seinen Jura-Abschluß an der University of Virginia gemacht. Ich hatte im Norden studiert, war katholisch und überzeugte Demokratin.
    Das Capitol von Richmond steht auf dem Shockhoe Hill und ist von einem kunstvollen schmiedeeisernen Zaun umgeben, der im frühen neunzehnten Jahrhundert errichtet wurde, um die durchziehenden Rinderherden fernzuhalten. Das weißgetünchte, von Jefferson entworfene Ziegelgebäude ist typisch für dessen Architektur: Die glatten Säulen sind symmetrisch angeordnet und besitzen ionische Kapitelle, zu denen er sich von römischen Tempeln hatte inspirieren lassen. Bänke säumen die Granitstufen den Hügel hinauf, und während der Eisregen auf meinen Schirm prasselte, dachte ich an meinen alljährlichen Frühlingsvorsatz, in der Mittagspause nicht am Schreibtisch zu bleiben, sondern mich hier in die Sonne zu setzen. Bis jetzt hatte ich ihn noch nicht befolgt, sondern ungezählte Tage meines Lebens bei künstlichem Licht in fensterlosen Räumen verbracht, die keiner architektonischen Richtung zuzuordnen waren.
    Als ich das Capitol betrat, steuerte ich auf die Damentoilette zu, um mein Selbstvertrauen mit einigen kosmetischen Korrekturen zu heben. Doch weder Lippenstift noch Haarbürste verhalfen mir zu der gewünschten Gelassenheit. Nervös und unsicher fuhr ich in die Rotunde hinauf, wo – drei Stockwerke über Houdons Marmorstatue von George Washington – ehemalige Gouverneure in Öl streng von den Wänden blikken. Auf halber Strecke zu meinem Ziel sah ich eine Gruppe von Journalisten. Ich kam nicht auf die Idee, sie könnten meinetwegen hier sein, bis mich einer erspähte und gleich darauf der ganze Pulk auf mich zustürmte. Kameraauslöser klickten mit der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrfeuers, Blitzlichter flammten auf, Mikrofone wurden gezückt.
    »Warum weigern Sie sich, Einblick in Ihre Bankunterlagen zu gewähren, Dr. Scarpetta?«
    »Haben Sie Susan Story Geld gegeben?«
    »Was für Handfeuerwaffen besitzen Sie?«
    »Stimmt es, daß Unterlagen aus Ihrem Büro verschwunden sind?«
    Ich drängte mich, die Augen stur geradeaus gerichtet, durch die Menschen. Der Weg zu der schweren Mahagonitür erschien mir endlos. Panik stieg in mir auf. Die Mikrofone stießen gegen mein Kinn, die Blitzlichter blendeten mich. Als ich endlich in die gnädige Stille hinter der Mahagonitür eintauchte, lehnte ich mich einen Moment gegen die Wand und schloß die Augen.
    »Guten Morgen«, sagte die Empfangssekretärin, die unter einem Portrait des Präsidenten John Tyler hinter einem wuchtigen Schreibtisch aus edlem Holz saß. Der Mann an dem Tischchen neben dem Fenster war in Zivil, aber ich sah sofort, daß es sich um einen

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