Phantom
würden die Reporter, die draußen lauerten, schließen, daß ich es getan habe, weil er mir etwas vorgeschlagen hatte, das meinen ethischen Grundsätzen zuwiderlief.
»Es liegt nicht in meinem Interesse, daß Sie zum jetzigen Zeitpunkt kündigen«, sagte er schließlich eisig. »Ich würde Ihre Kündigung nicht einmal akzeptieren. Ich bin, entgegen Ihrer Meinung, ein fairer Mensch und, wie ich hoffe, auch ein kluger. Ich kann nicht jemanden Mordopfer obduzieren lassen, der im Zusammenhang mit Mordfällen unter Verdacht steht. Deshalb halte ich es für das beste, wenn ich Sie bei vollem Gehalt beurlaube, bis die Sache geklärt ist.« Er griff nach dem Telefon. »John, würden sie den Chief Medical Examiner bitte hinausbegleiten?«
Sekunden später erschien der lächelnde junge Mann. Draußen wurde ich wieder von allen Seiten bedrängt. Blitze blendeten mich, Stimmen schrien durcheinander, doch ich äußerte mich auch diesmal mit keinem Wort.
In der Spätausgabe stand, daß Gouverneur Norring mich vorübergehend von meinen Aufgaben entbunden habe, bis alle Verdachtsmomente entkräftet seien. In einem Kommentar hieß es, der Gouverneur habe sich als Gentleman erwiesen, und ich sollte meinen Abschied nehmen, wenn ich wüßte, was sich gehöre.
11
Den Freitag verbrachte ich vor dem Kaminfeuer und versuchte dabei, die Tage zu rekonstruieren, auf die es ankam. Unglücklicherweise war ich mit dem Wagen auf dem Heimweg gewesen, als Eddie Heath nach Ansicht der Polizei vor dem Supermarkt entführt wurde. Als Susan erschossen wurde, stand ich zu Hause in der Küche und bereitete das Weihnachtsessen vor, während Marino und Lucy beim Schießen waren. Und als Frank Donahue erschossen wurde, saß ich allein beim Frühstück. Es gab niemandem, der meine Alibis bestätigen konnte.
Allerdings dürfte es der Staatsanwaltschaft schwerfallen, ein gemeinsames Motiv zu konstruieren, denn niemand konnte mir ernsthaft unterstellen, ich hätte den Jungen umgebracht, weil er mich beruflich hätte ruinieren können, ganz abgesehen davon, daß es sich hier um ein sadistisches Verbrechen gehandelt hatte.
Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als Lucy rief: »Ich habe was gefunden!«
Ich ging zu ihr hinüber. Sie hatte meinen Achtunddreißiger-Ruger neben sich liegen. »Warum hast du den Revolver hier?« fragte ich irritiert.
»Pete sagte, ich solle üben – und das habe ich nebenbei getan. Ich bin immer noch dabei, die Protokollbänder zu durchforsten, aber ich glaube, daß ich den Volltreffer schon gelandet habe«, sagte sie.
Erregung stieg in mir auf, als ich mir einen Stuhl heranzog.
»Das Band vom 9. Dezember hat drei interessante TUs.«
»TUs?« fragte ich verständnislos.
»Tenprint Updates«, erklärte Lucy, »die Aktualisierung von Fingerabdrücken. Ein Eintrag wurde völlig gelöscht, beim zweiten wurde die SID-Nummer geändert, und dann haben wir noch den dritten, einen Neueintrag, der etwa zum selben Zeitpunkt gespeichert wurde, als die beiden anderen modifiziert wurden. Ich meldete mich im CCRE an und suchte nach den Besitzern der SID-Nummern sowohl des geänderten alsauch des neuen Eintrags. Die Änderung betrifft Ronnie Joe Waddell.«
»Und was ist mit dem Neueintrag?« fragte ich.
»Das ist merkwürdig: Da existieren keine Angaben. Ich habe die SID-Nummer fünffach eingegeben, und jedesmal bekam ich die Antwort KEINEN EINTRAG GEFUNDEN. Begreifst du, was das bedeutet?«
»Ohne CCRE-Material haben wir keine Möglichkeit, festzustellen, wer die Person ist.«
Lucy nickte. »Genau. Es gibt da Fingerabdrücke und eine SID-Nummer im AFIS, aber die dazugehörigen Verknüpfungen weisen ins Leere. Daraus folgert: Auch der CCRE ist manipuliert worden.«
»Gehen wir zurück zu Waddell«, sagte ich. »Kannst du nachvollziehen, was mit seinen Einträgen gemacht wurde?«
»Ich hab da so eine Idee. Zuerst müssen wir sicher sein, daß die SID-Nummer nicht mehrfach vergeben wurde, was bedeutet, daß das System auf Duplizität prüft. Wenn ich mit dir die SID-Nummer tauschen möchte, muß ich erst deinen Eintrag löschen, bevor ich mit meiner alten SID-Nummer einen neuen aufmache.«
»Und du glaubst, daß das passiert ist?« fragte ich.
»Solche Übertragungen würden die TUs erklären, die ich auf den Protokollbändern vom 9. Dezember gefunden habe.«
Vier Tage vor Waddells Hinrichtung, dachte ich.
»Da gibt’s aber noch was«, erklärte Lucy. »Waddells Eintrag wurde am 16. Dezember aus AFIS gelöscht.«
»Wie ist das
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