Phantom
Staates«, fuhr er fort. »Sie haben eine beachtliche Karriere gemacht und hatten bisher einen untadeligen Ruf, aber in der Angelegenheit, um die es jetzt geht, legen Sie ein ausgesprochen unkluges Verhalten an den Tag, mit dem Sie sich nur schaden können.«
»Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen«, erwiderte ich, »und dies wird sich auch eindeutig erweisen, aber ich werde dieses Thema nicht weiter diskutieren, bevor ich mit einem Anwalt gesprochen habe. Und ich werde meine Unterlagen nicht offenlegen, es sei denn, durch ihn und bei einer nichtöffentlichen richterlichen Anhörung.«
»In einer nichtöffentlichen Anhörung?«
»Gewisse Dinge aus meinem Privatleben betreffen auch noch andere Menschen außer mir.«
»Wen? Einen Ehemann? Kinder? Einen Lebensgefährten? Meines Wissens haben Sie nichts dergleichen und sind – verzeihen Sie mir das Klischee – mit Ihrer Arbeit verheiratet. Wen sollten Sie schützen wollen?«
»Gouverneur Norring – Sie drücken mich an die Wand.«
»Durchaus nicht, ich möchte nur den Grund für Ihr Ansinnen erfahren. Sie sagen, es liegt Ihnen daran, andere zu schützen, und ich frage Sie, wer diese anderen sind. Sicherlich keine Patienten; Sie haben nur tote Patienten.«
»Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie auf meiner Seite stehen.« Ich hörte selbst, wie kalt meine Stimme klang. »Sie haben mir ganze zwanzig Minuten Zeit gegeben, hier zu erscheinen, und mich nicht einmal wissen lassen, weshalb Si e mich herzitierten.«
»Aber Doctor«, er sah mich herablassend an, »ich hatte angenommen, daß Sie sich das denken könnten.«
»Hätte ich mir auch denken sollen, daß unser Gespräch hier eine öffentliche Angelegenheit ist?«
Seine Miene veränderte sich nicht. »Man hat mich davon unterrichtet, daß die Presse da ist.«
»Es würde mich interessieren, wie es dazu kam!« sagte ich scharf.
»Wenn Sie glauben, daß die Journalisten von hier aus über unsere Verabredung informiert wurden, dann sind Sie im Irrtum.«
Ich antwortete nicht.
»Doctor, Sie sind kein Greenhorn. Es muß Ihnen doch klar sein, daß wir als Diener des Volkes gewissen Regeln unterworfen sind. Wir haben kein uneingeschränktes Recht auf Privatleben. Wenn unsere Integrität oder unsere Urteilskraft in Frage gestellt wird, hat die Öffentlichkeit Anspruch darauf, selbst in unsere persönlichsten Bereiche Einblick zu erhalten. Jedesmal wenn ich etwas plane oder einen Scheck ausschreiben will, muß ich mich vorher fragen, ob das, was ich vorhabe, auch der kritischsten Überprüfung standhielte.«
Mir fiel auf, daß er beim Sprechen kaum die Hände bewegte und daß Stoff und Muster seines Anzugs und seiner Krawatte ein Paradebeispiel für unauffällige Extravaganz waren. Meine Aufmerksamkeit wurde ständig abgelenkt, während er seine Ermahnungen fortsetzte. Ich wußte, daß nichts, was ich sagen oder tun würde, mich retten könnte. Ich wurde zwar seinerzeit vom Leiter der Gesundheitsbehörde eingesetzt, doch ohne die Empfehlung des Gouverneurs wäre mir die Position nicht angeboten worden – und ich würde sie ohne seine Unterstützung nicht behalten können. Der schnellste Weg, sich seine Gunst zu verscherzen, war es, ihm Peinlichkeiten oder einen Konflikt zu bescheren, und beides hatte ich getan. Er hatte die Macht, mich zur Kündigung zu zwingen, und ich konnte mir lediglich eine Galgenfrist verschaffen, indem ich drohte, die Sache für ihn noch peinlicher zu machen.
»Doctor, können Sie mir vielleicht sagen, was Sie an meiner Stelle tun würden?«
Draußen vor dem Fenster mischten sich Regen und Schnee, die Gebäude des Bankenviertels ragten düster in den grauen Himmel.
Ich sah Norring eine Weile schweigend an und sagte dann äußerlich ruhig: »Ich kann Ihnen sagen, was ich nicht tun würde: Ich würde den Chief Medical Examiner nicht in mein Büro bestellen, um von ihm zu verlangen, auf seine verfassungsmäßigen Rechte zu verzichten. Ich würde ihn nicht – entgegen unserer Verfassung – für schuldig halten, bis seine Unschuld bewiesen ist, und nicht von ihm fordern, vertrauliches Material offenzulegen, wenn er dadurch sich und andere gefährdet, und ich würde eine Person, die dem Staat treu gedient hat, nicht in eine Situation bringen, in der ihr nur die Kündigung bleibt.«
Der Gouverneur spielte nachdenklich mit seinem Füller, während er über meine Worte nachdachte. Und plötzlich wußte ich, was in seinem Kopf vorging: Wenn ich nach dieser Unterredung kündigte,
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