Phantom
Hinrichtung stattfand. Was fällt Ihnen dazu ein?«
»Daß jeder, der direkt oder indirekt, privat oder dienstlich, mit Waddell oder seinem Fall zu tun hat, in Lebensgefahr ist.«
»Richtig. Wenn ein Polizistenmörder frei herumläuft und Sie ein Cop sind, dann wissen Sie, daß Sie sein nächstes Opfer sein können. Es ist durchaus möglich, daß ich heute abend, wenn ich Ihr Haus verlasse, aus dem Hinterhalt niedergeschossen werde. Vielleicht ist der Kerl aber auch hinter Marino her oder lauert bei mir zu Hause auf mich. Oder er bereitet Gruemans Entführung vor.«
»Oder meine.«
Wesley stand auf und stocherte wieder im Feuer herum.
»Was meinen Sie, soll ich Lucy heimschicken?« fragte ich.
»Ich weiß nicht, was ich Ihnen raten soll. Sie will nicht nach Hause, das ist eindeutig. Aber vielleicht würden Sie sich besser fühlen, wenn sie nicht mehr hier wäre, und ich würde mich bedeutend besser fühlen, wenn Sie sie begleiteten. Ich denke, auch Marino, Grueman, Vander, Connie, Michele und ich würden uns besser fühlen, wenn wir irgendwo untertauchen würden.« Wesley schaute auf seine Uhr. »Ich werde mich nicht einmischen, Kay. Tun Sie, was Sie für richtig halten.«
»Ich muß meinen Ruf wiederherstellen.«
»Genau das würde ich auch versuchen. Wo wollen Sie ansetzen?«
»Bei den Federn.«
»Weshalb?«
»Weil sie uns zu dem Mörder führen können. Offenbar besitzt er etwas, das mit Eiderdaunen gefüllt ist. Da sie sehr teuer sind, nehme ich an, daß er den Gegenstand nicht gekauft, sondern gestohlen hat.«
»Das klingt plausibel.«
»Wir könnten eine Zeitungsmeldung lancieren.«
»Es ist doch wohl kaum in unserem Sinn, wenn der Mörder erfährt, daß er jedesmal Federn am Tatort zurückläßt. Dann wird er sich des verräterischen Indizes sofort entledigen.«
»Das ist mir klar. Nein, ich dachte an ein kleines Feature über die Eiderente und ihre Daunen und einen damit verbundenen Hinweis, daß daunengefütterte Kleidungsstücke wegen ihres Wertes ein begehrtes Diebstahlsobjekt sind. Vielleicht könnte die Geschichte an der Skisaison aufgehängt werden. Am Schluß sollte ein Detective genannt werden, der angeblich mit der Klärung der Diebstähle betraut war – dann haben die Leute einen Ansprechpartner.«
»Sie hoffen, daß jemand anruft, dessen daunengefütterter Anorak gestohlen wurde?«
»Zum Beispiel. Zumindest wäre es einen Versuch wert.«
»Ich muß darüber nachdenken.«
Wir gingen zur Tür.
»Ach ja«, fiel Wesley ein, »ich habe Michele angerufen, bevor wir das Homestead verließen: Sie und Lucy haben schon miteinander telefoniert. Michele meinte, Ihre Nichte sei geradezu beängstigend intelligent.«
»Ja, manchmal ängstigt mich das auch.«
»Ich habe ja fast zwei Tage mit ihr verbracht, und ich muß sagen, sie ist in vieler Hinsicht ein bemerkenswertes Mädchen.«
»Ich warne Sie, versuchen Sie nicht, sie anzuwerben!«
»Ich warte, bis sie mit dem College fertig ist. Wie lange dauert das noch? Ein Jahr?«
Ich lachte. »Vergessen Sie’s!«
Als Wesley weggefahren war und ich gerade die Scotchgläser in die Küche trug, kam Lucy aus dem Arbeitszimmer.
»Hattest du Spaß?« fragte ich sie.
»Klar.«
»Wie ich höre, ist Benton schwer beeindruckt von dir.« Ich spülte die Gläser aus und setzte mich an den Tisch, auf dem noch immer meine Bankunterlagen und der Notizblock lagen.
»Die beiden sind sehr nett«, sagte Lucy.
»Die Sympathie beruht offenbar auf Gegenseitigkeit.«
Sie öffnete den Kühlschrank und schaute hinein. »Was wollt e Pete denn hier?«
Es war überraschend für mich, daß sie Marino beim Vornamen nannte, aber ich freute mich: Mein Schachzug mit dem Schießunterricht war offensichtlich erfolgreich gewesen.
»Was bringt dich auf die Idee, daß er hier war?« wollte ich wissen.
»Es hat nach Zigarettenrauch gerochen, als ich reinkam. Daraus folgt, daß er hier war – oder hast du wieder zu rauchen angefangen?« Sie machte den Kühlschrank wieder zu und kam an den Tisch.
»Nein, habe ich nicht. Du hast recht: Marino war hier.«
»Weshalb?«
»Um mir Fragen zu stellen.«
»Worüber?«
»Warum interessiert dich das?«
Ihr Blick glitt über den ausgebreiteten Papierwust. »Warum willst du es mir nicht sagen?«
»Es ist kompliziert, Lucy.«
»Das behauptest du immer, wenn du mich aus einer Sache raushalten willst.« Sie drehte sich um und ging hinaus. Wenn ich Eltern mit ihren Kindern beobachtete, bewunderte ich jedesmal die
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