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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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mit dem Professor und den anderen?«
    »Die haben ohne dich bessere Überlebenschancen, wenn die Polizei die Wohnung stürmt.«
    »Ich habe nichts dagegen, dich zu heiraten, Kim, aber ich würde lieber in Wien bleiben.«
    »Das kannst du nicht, Litzi. Du bist schon einmal verhaftet worden. Sie wissen, dass du Kommunistin bist. Vielleicht wissen sie sogar, dass du einer Frau mit einem Männernamen, die im Winter keine Blumen ausliefert, Bericht erstattest. Dein Name steht auf ihrer Liste, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie kommen, um dich zu holen. Dazu noch bist du Jüdin. Alle wissen, dass Hitler Österreich annektieren will. Der ›Anschluss‹ ist nur noch eine Frage der Zeit, und er wird die Juden dafür bluten lassen, dass sie ihn an der Kunstakademie abgelehnt haben. Gott, wenn sie ihn nur angenommen hätten, dann säße er jetzt womöglich als armer Künstler in irgendeiner Mansarde der Stadt und nicht als deutscher Reichskanzler in B-B-Berlin. Litzi, wenn dich Dollfuß nicht umbringt, weil du Kommunistin bist, tut es Hitler, weil du Jüdin bist.«
    Kim küsste mich in der Dunkelheit. Ich weiß noch genau, dass
seine
Lippen nicht zitterten. Meine schon. Er übernahm die Verantwortung nicht nur für sein, sondern auch für mein Leben. Um acht Uhr fünfzehn wurden wir von einem Standesbeamten getraut, der dringend die Dienste eines Zahnarztes benötigt hätte. Ich trug mich als Studentin ohne Konfession ins Register ein. Kim behauptete, ein englischer Tourist zu sein. Neben »Religion« schrieb er auf Englisch: »Nicht dass ich wüsste.« Um neun überreichte mir der englische Konsul einen brandneuen britischen Pass, in dem ein altes Foto von mir klebte. Ich hatte es aus einer Dose unter meinem Bett hervorgeholt, es zeigte mich, bevor ich den Haufen Schuhe, in denen noch Füße und Beine steckten, gesehen hatte. Die Unschuld in meinen achtzehnjährigen Augen war nicht zu übersehen, mein Haar schulterlang und sonnengebleicht. Der Konsul, ein netter Herr, der die Tage zählte, bis er zurück nach Schottland durfte, fragte mich, ob ich ursprünglich blond gewesen sei. Ich sagte, ich hätte meine Haare schon so oft gefärbt, dass ich es nicht mehr sicher sagen könne. Er meinte, ich solle mir deswegen keine Sorgen machen. Wenn der Grenzpolizei der Unterschied auffalle, würde sie sicher nichts Besonderes daran finden, dass ich mich in einen Rotschopf verwandelt hätte. Das machten dieser Tage doch alle jungen Frauen, sagte er und wünschte uns viel Glück und Gottes Segen. Ich sagte, dass ich nicht an Gott glaube, und Kim witzelte, genau das sei ja der Segen. Der Konsul lachte. Er winkte uns frisch Vermählten noch einmal von dem kleinen Balkon über der mit poliertem Messing beschlagenen Tür der Botschaft zu, als wir unten auf das Motorrad stiegen. Kim trug seinen Rucksack vor der Brust, ich meinen auf dem Rücken. Er enthielt meine Kleidung und (in der Hoffnung, dass sie eines Tages etwas wert sein würden) die zusammengerollten Modiglianis. Ich hielt mich an Kim fest, als er den Motor antrat.
    War es der Fahrtwind, der mir die Tränen in die Augen trieb, als wir über die ach so vertrauten Straßen meines geliebten Wiens Richtung England fuhren, ein Land, das neunhundert Meilen entfernt lag und von dem ich so gut wie keine Vorstellung hatte?

Kapitel 2
    London, im April 1934:
Ein Bursche aus Cambridge hat die glänzende Idee, für die Roten zu spionieren
    Ich kann verdammt noch mal nicht sagen, wer die Idee hatte, eine Willkommensparty für Kim zu organisieren. Die Nachricht, dass sich der Hund eine Magyarenfrau mitgebracht hatte, verbreitete sich schnell – und schon stand die Party auf dem Terminplan. Einer von seinen Kommilitonen aus Cambridge bot an, in der Wohnung seiner Mutter in Cadogan zu feiern. Es hieß, die Gute sei auf dem Kontinent auf Reisen, mit ihrem Mann und seiner derzeitigen Geliebten. Don Maclean stand pünktlich zur verabredeten Zeit vor der Tür. Ein guter Typ, dieser Maclean. Hatte sein Fremdsprachenstudium in Cambridge mit Bestnote abgeschlossen und seitdem an Gewicht zugelegt. Absolut heterosexuell, aber das werfe ich ihm nicht vor. Er und Kim hatten sich an der Universität zerstritten, wobei ich nie herausgefunden habe, warum. Nehme an, es hatte damit zu tun, dass sich Maclean der gerade gegründeten kommunistischen Zelle in Cambridge angeschlossen hatte, während sich Kim aus Gründen, die nur er selbst kennt, nie einen Parteiausweis hatte ausstellen lassen. Das Arschloch

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