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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Anthony Blunt kam uneingeladen. Er trug einen gestärkten Vatermörder, als wäre er der verdammte König von England, und schämte sich absolut nicht zu behaupten, er sei ein entfernter Verwandter der Queen. Gekleidet war er dementsprechend. Ich hätte ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, wenn er nicht einen ganz annehmbaren Whisky dabeigehabt hätte. Anthony hatte in Cambridge auf dem Gebiet der französischen Kunst einigermaßen Furore gemacht, und man konnte darauf zählen, dass er das Gesprächsniveau hob, während es bei mir mit schöner Regelmäßigkeit in den Keller sank. Bob Wright, Kims Bergarbeiter-Kommilitone (Kim hatte mit ihm in Huthwaite zusammengewohnt, als sie beide Wirtschaft studierten), kam mit zwei Malthusianerinnen herein, in jedem Arm eine. Er hatte sie in einem Schreibwarenladen an der Kensington High aufgegabelt; sie kamen gerade von einer öffentlichen Diskussion über Verstopfung – oder war es Verhütung? Mit ihren kleinen gelben Plaketten waren die Malthusianerinnen – wie vor ihnen schon die Suffragetten – leichte Beute für alle Heterosexuellen. Es war allgemein bekannt, dass sie für die Geburtenkontrolle auf die Straße gingen, um der freien Liebe frönen zu können. (Bei den abendlichen Pokerrunden in Cambridge war es ein beliebtes Diskussionsthema, ob die Malthusianerinnen nun Schlüpfer trugen oder nicht. Da keiner von uns je selbst nachgesehen hatte, war die Frage bis dahin zu unser aller Missfallen nicht befriedigend beantwortet worden.) Zwei Mädels vom Newnham College, die nach Eau de Toilette stanken, erschienen in der Tür und behaupteten, von jemandem eingeladen worden zu sein, dessen Namen sie vergessen hätten. Die, die sich als Mildred vorstellte, kam mir vage bekannt vor; sie sah ’n bisschen schwanger aus und explodierte, als die Malthusianerinnen sie fragten, wann das Baby denn komme. »Verpisst euch, ich bin nicht schwanger«, fuhr sie die beiden an. »Gleich morgen beim Frühstück fange ich mit der Hollywood-Grapefruit-Diät an.« Ich sollte vielleicht erwähnen, dass uns, die wir in Cambridge gewesen waren, schon der bloße Anblick von Newnham-Mädels mit Wehmut wegen unserer verschwendeten Jugend erfüllte. Mit ihren identischen weißen Blusen und Faltenröcken hatten sie die ersten Reihen in den Trinity-Vorlesungen zu Hegels dialektischem Idealismus gefüllt – es war jedoch altehrwürdige Tradition in jenen heiligen Hallen, dass Newnham-Mädels nichts taugten, und kein Trinity-Student, der auf seinen Ruf bedacht war, hätte je das Wort an sie gerichtet. Da die Party in Cadogan aber, sowohl räumlich als auch zeitlich, weit weg vom Campus war, hielt ich es für vertretbar, Mildred anzusprechen, bevor sie sich in eine Grapefruit verwandelte.
    Der Spruch, mit dem ich das Eis brach, war: »Findest du es nicht komisch, dass dich Männer mit der Hand begrüßen, mit der sie sich auch den Arsch abwischen?«
    »Aber genau darum geht’s doch«, sagte sie fröhlich.
    Ich fragte sie, ob sie Lawrence’
Pornographie und Obszönität
gelesen habe.
    »Lawrence von Arabien hat ein Buch über Pornografie geschrieben?«
    »Ich meine D. H. Lawrence, Süße.«
    Als sie gestand, das Buch nicht zu kennen, weihte ich sie in eine Theorie ein, die in Londons Pubs die Runde machte und die besagte, Pornografie sei Literatur, die mit nur einer Hand zu lesen war. Ermutigt durch die Röte auf Mildreds Midlands-Wangen, die so typisch für Mädchen mit bescheidener Universitätsausbildung war, vertraute ich ihr an, dass ich ernsthaft überzeugt wäre, Mussolini sei schwul. Ich sagte, wenn man ihn wirklich von den lustvollen Plänen, die er mit Äthiopien habe, ablenken wolle, müsse man nur eine hübsche Schwuchtel die Stufen des Kapitols auf und ab stolzieren lassen. Mildred wollte wissen, ob ich gewillt sei, mich zu opfern. »Ich bin genauso patriotisch wie alle anderen Schwuchteln«, antwortete ich beleidigt.
    »Na prächtig«, sagte sie. »Dann werde ich deinen Namen nennen, wenn sie nach Freiwilligen suchen. Übrigens, wie heißt du eigentlich?«
    »Guy Burgess.«
    »Bist du
der
Guy Burgess? O Gott, wie peinlich, dass man mich mit dir reden sieht. Was immer du hast: Es könnte auf mich abfärben!«
    Während ich mich mit Mildred unterhielt, sah ich einen äußerst reizenden Jungen die Wendeltreppe zum Wohnzimmer hinaufsteigen. Anthony, der unten schon mit dem Süßen gesprochen hatte, flüsterte mir ins Ohr, der Bursche sei ein arbeitsloser Schauspieler, der sich irgendwo im

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