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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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nichts anderes wollte, als Karriere zu machen und sich seiner Familie zu widmen. Bei unseren ersten Besprechungen entwarfen wir die Grundzüge, anschließend ging es ins Detail. Sonny erwies sich tatsächlich als gelehriger Schüler – wie oft fing ich einen Satz an, und er wusste gleich, worauf ich hinauswollte, und beendete ihn für mich.
    Er hielt mich darüber auf dem Laufenden, wie er mit der Etablierung seiner
Persona
vorankam, durchforstete seine Bücher und sortierte aus, was seine linken Sympathien verraten könnte, kündigte sein Abonnement des
Daily Worker
und bestellte stattdessen die unterschwellig deutschfreundliche
Times of London.
Um seinem neuen konservativen Selbst zusätzlich Glaubwürdigkeit zu verleihen, trat Sonny der Anglo-German Fellowship bei und ging sogar so weit (von mir dazu ermutigt), in der deutschen Botschaft in London zu verkehren. Seinen Job als Redakteur der
Review of Reviews
nutzte er, um mehrere Gespräche mit dem deutschen Botschafter Joachim von Ribbentrop zu führen, bei denen er darauf bedacht war, wiederholt das Mantra seines Vaters zu zitieren, die deutsch-englischen Differenzen müssten auf christliche Weise beigelegt werden. Das Wichtigste aber war, dass Sonny den Kontakt zu seinen linken Freunden aus Cambridger Zeiten abbrach.
    Ich instruierte ihn, sich um die Verbesserung seines Verhältnisses zu dem Mann zu bemühen, den er immer nur seinen »heiligen Vater« nannte, St John Philby, und der alles andere als erfreut gewesen war, als sein Sohn mit einer ungarisch-jüdischen Kommunistin verheiratet zurück nach London kam. Kim schrieb seinem Vater einen weitschweifigen Brief, in dem er seine linken Überzeugungen als jugendlichen Idealismus abtat und von seinen Gesprächen mit Ribbentrop erzählte. Das funktionierte so gut, dass Philby senior seinen Sohn und dessen Frau einlud, in seiner Londoner Wohnung zu logieren. Etwa zu diesem Zeitpunkt erteilte ich Sonny den ersten Spionageauftrag: Er sollte die Papiere seines Vaters daraufhin durchsehen, ob es eine Verbindung zwischen St John und dem Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes gab, dem geheimnisvollen Admiral Sinclair. Sonny bestand diesen ersten Test mit
airborne colours,
wie die Engländer sagen, das heißt: mit Bravour. Er brachte mir die in seiner winzigen Handschrift angefertigten Abschriften dreier Briefe, die alle von jemandem namens Hugh unterschrieben waren, was, soweit ich wusste, Admiral Sinclairs Vorname war. Offenbar kannten er und St John sich von der Westminster School und dem Trinity College. In einem der drei Briefe berichtete Hugh St John, was aus einigen ihrer gemeinsamen Freunde von damals geworden war. Bedauerlicherweise enthielten die Briefe aber keine Staatsgeheimnisse. Im letzten, der neueren Datums war, lud Admiral Sinclair Philby senior auf einen Drink ins Caxton House ein, wenn dieser das nächste Mal nach London komme. So wie die Einladung formuliert war, nahm ich an, dass St John Philby selbst nicht Mitglied des Secret Intelligence Service war, sondern angesichts seiner engen Beziehung zum saudischen Herrscher ibn Saud eher ein gelegentlicher Ratgeber.
    Sonnys zweite Aufgabe, und dabei handelt es sich um einen der wichtigsten Aspekte der Spionagearbeit, war einzuschätzen, wer von seinen alten Trinity-Freunden für die Arbeit im Dienste der kommunistischen Internationale und am Ende auch direkt der Moskauer Zentrale angeworben werden könnte. Kim kam mit einer Liste zu unserem nächsten Treffen, die er in einem einfachen Büchercode (den ich ihm beigebracht hatte: Seitenzahl, Zeilenzahl, Stelle des Buchstabens) hinten auf einen Umschlag geschrieben hatte. Der Code war unmöglich zu knacken, wenn man nicht wusste, mit welchem Buch der Verfasser gearbeitet hatte. In diesem Fall war es der Roman
Der verlorene Horizont,
den sein Vater ihm geschenkt hatte, als Sonny aus Cambridge zurückgekommen war. Sonny und auch mich hatte die Erzählung vom mystischen Utopia Shangri-La im Himalaya fasziniert. (Ich weiß noch, wie er im Scherz sagte, sollte er je als sowjetischer Spion enttarnt werden, wolle er in Shangri-La, dem Paradies auf Erden, versteckt werden. Als treuer Kommunist versicherte ich ihm, dass Stalins Sowjetrussland das Land auf Erden sei, das Shangri-La am nächsten käme.) Den Umschlag von Kim habe ich immer noch. Decodiert stand darauf: Donald Maclean, Guy Burgess, Anthony Blunt, John Cairncross.
    Sonny kannte sie alle aus dem Sozialistenkreis in Cambridge. Als wir die Liste bei

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