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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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ganze Arbeit leisten und auch die Throne Iraks und Transjordaniens mit Haschimiten-Prinzen besetzen. Das Foreign Office stimmte seinen Plänen zu. Philbys Ansicht nach lag Lawrence damit aber ziemlich falsch (was Vater weitaus böser ausgedrückt hätte). Der Haddsch meinte, die Briten setzten damit aufs falsche Pferd. Seiner Meinung nach sollten sie ihr Geld auf ibn Saud und seine wahhabitischen Nomaden in der arabischen Wüste setzen, die mit ihren Zelten auf einem Ozean aus Öl saßen. »Fabriken, die mit Kohle betrieben werden, stellen auf Öl um«, sagte der Haddsch zu Vater, und sein mehr als flüchtig gepflegter Bart zitterte erregt. »Bin ich auf dem Holzweg, wenn ich denke, die Kiele, die ihr heute legt, werden von Schweröl vorangetrieben werden?«
    »Ich fürchte, das ist ein Staatsgeheimnis«, antwortete Vater darauf mit ruhiger Stimme. »Wenn ich dir mehr dazu sagen würde, alter Junge, müsste ich dich anschließend umbringen.«
    St John Philby beantwortete Vaters eher seltenen Ausflug ins Humoristische mit einem angedeuteten Lächeln. Wenn ich mich recht erinnere, zuckte Vater daraufhin freundlich mit den Schultern. Im Streit zwischen den beiden Wüstenratten Philby und Lawrence wusste Vater nie recht zu sagen, ob sein alter Trinity-Kommilitone nicht doch richtig lag.
    Was die damals anstehende Besprechung betrifft: Als die einleitenden Freundlichkeiten ausgetauscht waren, klopfte der in Vaters Laden für die Gegenaufklärung zuständige Colonel Vivian dem Haddsch aufs Knie. »Sie haben wahrscheinlich schon davon gehört«, sagte er.
    »Ich habe im Bahnhof flüchtig ein paar Schlagzeilen gelesen«, antwortete Philby. »Wissen Sie mehr, als in den Zeitungen steht?«
    Vater sagte: »Es ist Valentines Aufgabe, mehr zu wissen, als in den Zeitungen steht.«
    »Die Hälfte davon erfindet er«, murmelte Colonel Menzies leise.
    Es war nie schwer, Colonel Vivian auf die Palme zu bringen. »Ich werde so tun, als hätte ich die Bemerkung nicht gehört«, sagte er, aber natürlich hatte er sie gehört, und seine Tonlage war leicht verändert. »Für die gestrige Ermordung von Dollfuß sind zehn österreichische Nazis der SS-Standarte 89 verantwortlich. Sie haben seine Bewacher überzeugt, zu ihm vorgelassen zu werden, und als er sich erhob, um sie zu begrüßen, haben sie ihn erschossen. Fraglos steckt Hitler hinter diesem Putschversuch. Die Attentäter wurden von der österreichischen Gendarmerie festgenommen. Ich weiß aus verlässlicher Quelle, dass sie erschossen werden. Die regierungstreuen Heimwehrmilizen haben den Staatsstreich vorerst verhindert, denn es ist ihnen gelungen, die Naziformationen auszuschalten, bevor diese losschlagen konnten.«
    »Hat sich dein Junge nicht in Wien herumgetrieben?«, fragte Vater den Haddsch.
    »Ja, er war nach seinem Abschluss dort, um sein Deutsch aufzupolieren, und ist dann schnurstracks zurück nach Britannien, nachdem Dollfuß den Kommunistenaufstand im Februar niedergeschlagen hatte.«
    »Wie heißt er?«
    »Kim.«
    »Genau. Kim. Nach Kiplings Kim, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Genau.«
    »Erwartest du, dass er wie Kiplings Kim Spion wird?«
    »Ich könnte mir schlimmere Schicksale vorstellen.«
    Vater widersprach. »Ich nicht.« Colonel Vivian und Colonel Menzies lachten anerkennend. Vater fuhr fort: »Es war klug von deinem Jungen, nach England zurückzukehren. Meiner Ansicht nach werden auch ein oder zwei gescheiterte Putschversuche Hitler nicht davon abhalten, sich Österreich einzuverleiben.«
    Philby sagte: »Großbritannien macht einen kolossalen Fehler, Hitler als seinen Hauptgegner zu sehen.«
    »Hatten Sie schon Gelegenheit,
Mein Kampf
zu lesen?«, wollte Colonel Vivian von ihm wissen.
    »Hatten Sie schon Gelegenheit, die Bestimmungen des Versailler Vertrags zu lesen?«, erwiderte Philby. »Was könnte verständlicher sein, als dass die Deutschen sich wieder bewaffnen und ihren rechtmäßigen Platz in Europa einnehmen wollen? Österreich ist ihr Hinterhof, ihr Ellbogenraum, wie sie es nennen.«
    »Der Versailler Vertrag ist der Preis, den die Deutschen für den Krieg zu zahlen haben«, sagte Colonel Vivian.
    »Der Preis dafür, dass sie ihn verloren haben.«
    »Noch etwas Claret?«, fragte Vater.
    »Ich dachte immer, Muslime trinken nicht«, sagte Colonel Vivian, als der Haddsch sich nachschenken ließ.
    »Im Heiligen Koran findet sich kein einziger Satz, der den Konsum alkoholischer Getränke verbietet«, sagte Philby. Er ließ sich nicht so leicht vom

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