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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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unternehmen, St John, was wir nicht sowieso schon tun?«, fragte er.
    »Dürfen wir annehmen, dass Sie noch ein Ass im Ärmel haben?«, fragte Colonel Vivian.
    Der Haddsch: »Ich wäre ja wohl ein verdammter Narr, wenn ich hier auftauchen würde, ohne etwas in der Hinterhand zu haben.«
    Vater: »Könntest du uns ins Bild setzen?«
    Der Haddsch: »Ich werde euch alle sofort umbringen müssen, wenn ich das tue.«
    An dieser Stelle steht in einer Randnotiz:
Allgemeines Gelächter.
    Vater: »Du hast doch deine Erkundung der arabischen Halbinsel nicht unterbrochen, um uns hier etwas vorzuenthalten, alter Junge. Nun spuck’s schon aus.«
    Darauf folgt in meinem Protokoll des Treffens eine halbe Seite in Steno, die mein Vater geschwärzt hat.
    Anschließend geht es mit meiner Beobachtung weiter, dass Vater mit den Fingern der rechten auf die Knöchel der linken Hand klopfte, ein geheimes Zeichen an mich, dass er das Gespräch beenden wollte. »Entschuldige, Vater …«
    Quex sah mich mit gespielter Verärgerung an. »Was ist denn jetzt wieder, Evelyn?«
    »Es ist fast vier. Du musst Punkt vier Uhr fünfundvierzig im F. O. sein, um über die geplanten Streichungen im SIS zu sprechen.« Ich meine mich zu erinnern, dass Vaters nautischer Chronometer an der Wand hinter seinem Tisch sanft achtmal schlug, als ich das sagte.
    Vater wandte sich an den Haddsch. »Können wir uns darauf einigen, dass dieses Treffen nie stattgefunden hat?«
    »Welches Treffen?«, fragte der Haddsch mit einem nur konspirativ zu nennenden Grinsen, das ihn, wenn ich es mir recht überlege, fast schon menschlich wirken ließ. Es erlaubte einen Blick auf das, was einer Frau an dieser unkonventionellen Ausgabe eines Mannes gefallen mochte.
    Vater stand auf. »Ganz prächtig von dir, vorbeizukommen und deine Ansichten mit uns zu teilen, St John. Ist immer faszinierend zu hören, wie man die Welt von Dschidda aus sieht.«
    »Ganz meine Meinung«, sagte Colonel Menzies.
    »Dem kann ich mich nur anschließen«, ergänzte Colonel Vivian.
    St John Philby bückte sich, um seine Tennisschuhe wieder zuzuschnüren. »Dann jagt ihr mich nun also wieder hinaus in euren Asphaltdschungel, was?«
    Vater sagte: »Jaja.«
    An dieser Stelle steht in meinem Protokoll das, was auf der Leinwand zu sehen ist, kurz bevor die letzte Filmrolle ausläuft:
Ende.

Kapitel 5
    London im Herbst 1936:
Drei Fliegen werden mit einer Klappe geschlagen
    Wenn die Anwerbungsphase als eine Form der Kunst angesehen werden kann – die Verführung, ob nun einer zukünftigen Geliebten oder eines prospektiven Spions, ist ganz sicher eine Kunst –, lässt sich das, was darauf folgt – der Alltag des Spionagegewerbes und seine professionellen Regeln – am besten als Handwerk beschreiben. Dabei fing es ziemlich gradlinig an. Wir – Harold Adrian Philby, genannt Kim, Deckname »Sonny«, und meine Wenigkeit, Teodor Stepanowitsch Mali, der Londoner Resident, den Sonny nur unter dem Namen Otto kannte – trafen uns immer im Abstand von entweder neun oder elf Tagen (die Unregelmäßigkeit war eine Vorsichtsmaßnahme) an wechselnden Orten. Für jedes dieser Treffen gab es einen neuen eigens festgelegten Plan B, falls einer von uns nicht erscheinen sollte, und Telefonnummern, unter denen sich scheinbar harmlose Mitteilungen auf neue magnetbandgestützte Schweizer Anrufbeantworter sprechen ließen, für deren Anschaffung ich persönlich geradezustehen hatte, bis die Moskauer Zentrale erlaubte, sie aus dem Budget der Residentur zu zahlen. Ich erinnere mich, dass die ersten Treffen dazu dienten, eine
Persona
zu entwerfen. Das wunderbare Oxford English Dictionary, 2. Auflage 1934 (das es dank mir in der Bibliothek der sowjetischen Botschaft gab), definiert eine
Persona
als die Rolle, die jemand – im Gegensatz zu seinem inneren Selbst – in der Öffentlichkeit einnimmt. Die Rolle, die Sonny von nun an in der Öffentlichkeit spielen sollte, war die eines gebildeten englischen Gentlemans der Oberschicht, der wie viele seiner Kommilitonen während seiner Zeit in Cambridge mit dem Sozialismus geflirtet hatte und so weit gegangen war, mit dem Motorrad nach Wien zu fahren, um dort Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland zu helfen. Er hatte sogar eine junge jüdische Frau geheiratet, damit sie einen britischen Pass bekam und er sie in England in Sicherheit bringen konnte. Mit der Zeit war dieser junge Mann aber politisch zur Vernunft gekommen und zu einem rechts der Mitte anzusiedelnden Konservativen geworden, der

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