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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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einem unserer Treffen durchgingen, beschrieb er Maclean (der gleich den Decknamen »Orphan«, also Waise, bekam) als glühenden Marxisten und einen der ursprünglichen Begründer der kommunistischen Zelle in Cambridge. Für Sonny schien Maclean der aussichtsreichste Kandidat zu sein: Maclean war zweiundzwanzig Jahre alt, auf der Insel Tiree vor der schottischen Küste aufgewachsen, hatte sein Sprachenstudium in Cambridge mit Bestnote abgeschlossen und schien wie geschaffen für eine glänzende Karriere im Foreign Office.
    Ich sprach über Maclean mit meinem Stellvertreter in der Residentur, Anatoli Gorski, Deckname »Kapp«, und schickte einen Bericht an die Moskauer Zentrale, in dem ich Macleans Herkunft und Hintergrund schilderte und unserer Überzeugung Ausdruck verlieh, dass wir versuchen sollten, ihn anzuwerben – gerade im Hinblick auf meine Strategie der langfristigen Unterwanderung. Als die Zentrale nicht auf meinen Bericht antwortete, begann ich mich zu fragen, ob mein Telegramm verloren gegangen sei. Ich schickte es ein zweites Mal. Die Antwort, die noch am selben Abend kam, war so knapp, dass sie fast schon rüde genannt werden musste.
    Von: Moskauer Zentrale
    An: Teodor Stepanowitsch Mali
    Betrifft: Die Anwerbung von Orphan durch den Londoner Residenten
    Mit Bezug auf: Ihr Telegramm vom 12. November 1936
    Erlaubnis gewährt, aber wenn die Milch gerinnt, müssen Sie sie trinken.
    Ich kenne niemanden, der behaupten würde, mit der Moskauer Zentrale zusammenzuarbeiten, sei ein Zuckerschlecken.
    Ich erteilte Sonny den Auftrag, Maclean zu rekrutieren. Er hatte jedoch Bedenken: »Wie zum Teufel soll ich das Thema aufbringen, ohne mich selbst zu gefährden, falls er Nein sagt?«
    »Nach allem, was Sie mir erzählt haben, ist er Marxist genug, Ihr Gespräch zu vergessen, sollte er ablehnen«, sagte ich.
    »Ich habe so etwas noch nie gemacht. Was soll ich ihm sagen?«
    »Sagen Sie, was ich Ihnen erzählt habe: Dass er den
Daily Worker
verkaufen oder aber eine bedeutende Rolle in unserem gemeinsamen Kampf gegen den Faschismus spielen kann.«
    »Meine Güte, ich werde es versuchen«, sagte Sonny. Und das tat er: Er fuhr nach Cambridge und ging mit Maclean in einer kleinen Kneipe essen. Die Sache zur Sprache zu bringen, war einfacher, als Sonny angenommen hatte. Maclean vermutete bereits, dass Sonny von uns rekrutiert worden war, und sagte es ihm auf den Kopf zu. Wie sonst lasse sich erklären, dass er alle Kontakte zu seinen Cambridge-Freunden abgebrochen habe? Sonny spielte seine Karten nahe an seinem
Spenzer,
wie die Engländer sagen, er ließ sich also nicht in besagte Karten gucken. Er gab nichts zu, wies aber auch nichts zurück, und als er zur Sache kam und Maclean fragte, ob er sich dem Kampf gegen den Faschismus anschließen wolle, lächelte Orphan nur (wie ich ihn Moskau gegenüber bereits genannt hatte). »Für wen arbeitest du?«, fragte er. »Die Komintern? Die Dritte Internationale? Den NKWD? Für das, was die billigen Fleet-Street-Blätter die Moskauer Zentrale nennen?«
    Sonny erzählte mir, er habe zurückgelächelt und gesagt: »Für alle der genannten«, als beantwortete er eine Multiple-Choice-Frage in einer Uni-Prüfung.
    Offenbar brachen die beiden daraufhin in Lachen aus.
    Und so wurde Maclean rekrutiert.
    Guy Burgess, der zweite Name auf Sonnys Liste, war ein ganz anderer Fall. Sonny selbst hatte ernsthafte Vorbehalte gegen eine Anwerbung von Guy Burgess. Als Student hatte Burgess (der den Decknamen »Maiden«, also Jungfer, bekam) Kommilitonen und Professoren gleichermaßen so mit der Schärfe seines Intellekts überwältigt, dass er in die elitäre Gesellschaft der Cambridge Apostles aufgenommen worden war. Merkwürdigerweise hatte er Kim bei einem damals noch nicht lange zurückliegenden Essen vorgeschlagen, sie beide sollten sowjetische Spione werden.
    »Was haben Sie darauf gesagt?«
    »Ich habe ihm gesagt, das könne doch nicht sein Ernst sein.«
    »War es sein Ernst?«
    »So wie ich Guy kenne, kann es gut sein, dass er eine ernst gemeinte Idee als Witz präsentiert hat.«
    »Angenommen, er würde für die Moskauer Zentrale arbeiten, würde er sich der Disziplin unterwerfen?«
    »Ich m-m-muss Ihnen sagen, dass Guy ein Enfant terrible ist«, antwortet Sonny. »Bei linken Demonstrationen fuhr er für gewöhnlich mit seinem Sportwagen auf den Bürgersteig und trat das Gaspedal durch, um die Gegendemonstranten zu vertreiben. Es ist ein Wunder, dass er nie verhaftet wurde. Das große

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