Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
P-P-Problem ist, dass Guy bei jeder sich bietenden Gelegenheit seine Homosexualität zur Schau stellt. Es bedürfte eines äußerst erfahrenen sowjetischen Führungsoffiziers, um ihn zu zähmen.«
    »Seine Homosexualität könnte auch von Vorteil sein.«
    »Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann.«
    »Eine ganze Reihe Männer der herrschenden Klasse, in der Regierung, dem Parlament, den Banken und der Presse, soll homosexuell sein, oder wenigstens bisexuell. Ein homosexueller Agent könnte ebenso gut darin sein, seine Zielpersonen zu verführen wie eine gut aussehende weibliche Agentin. Professionelle Geheimdienstler nennen das eine Honigfalle. Ich werde mit meinen Genossen in der Residentur über den Fall Burgess sprechen.«
    Bevor wir zu einer Entscheidung kamen, setzte Burgess uns unter Zugzwang. Offenbar hatte er einen sechsten Sinn für die Feinheiten der Spionagetätigkeit, denn ihm fiel gleich auf, dass sowohl Sonny als auch Orphan ihre Verbindungen zu den alten Genossen in Cambridge kappten. Er sprach Orphan direkt darauf an und sagte ihm, er vermute, da sei etwas im Gange. »Ihr Burschen führt mich nicht an der Nase herum und spielt die reuigen Sünder, die sich aus Sozialisten in Konservative verwandeln. Du und Philby, ihr führt doch was im Schilde.« Worauf der verzweifelte Maclean sagte: »Hältst du bitte den Mund. Ich bin noch der, der ich immer war, mehr kann ich nicht sagen.« Burgess antwortete: »Mehr musst du nicht sagen. Du und Kim, ihr arbeitet für Moskau.« Er bekam genug aus Maclean heraus, um anschließend nach London zu fahren und sich mit Philby zu treffen. »Ich habe zwei und zwei zusammengezählt«, rief er, wie Sonny in seinem detaillierten Bericht über die Begegnung schrieb.
    »Und? Ist vier dabei herausgekommen?«
    »Aber ganz sicher«, sagte Burgess. »Man hätte blind und blöd sein müssen, um das nicht zu sehen. Du und Maclean seid von den Sowjets rekrutiert worden. Gib’s zu, Kim. Du weißt doch noch, dass ich es war, der vorgeschlagen hat, für die Russen zu spionieren? Wie kannst du in Anbetracht unserer langen Freundschaft diesen Rubikon überqueren, ohne mich mitzunehmen? Ich muss dir sagen, dass ich es für extrem treulos halte, mich zurückzulassen.«
    Und so wurde Guy Burgess rekrutiert.
    Die Monate, nachdem Philby zu uns an Bord gekommen war – die ersten beiden Jahre sogar – wurden seiner Ausbildung zum Spion gewidmet. In der Sowjetunion werden zukünftige Agenten vier Jahre lang rund um die Uhr in einem besonderen Trainingslager ausgebildet, bevor wir sie ins Feld schicken. Einen Agenten in feindlicher Umgebung einzuarbeiten, die England für uns nun einmal war, stellte eine enorme Herausforderung sowohl für den Lehrer (in diesem Fall mich) als auch für den Schüler dar. Ich musste einen vierjährigen Lehrplan in zweiwöchentlichen Treffen, die jeweils fünfundvierzig Minuten dauerten, abarbeiten. Neben dem Erlernen verschiedener Chiffriermethoden und geheimer Schreibtechniken (die Zentrale in Moskau bevorzugt Urin als Tinte, im Gegensatz zu den Briten, die Zitronensaft nehmen) musste er sich in der Kunst üben, in einer Menge unterzutauchen, selbst wenn es keine gab. Unsichtbar werden. Sonny besaß dafür ein natürliches Talent. In jeder denkbaren Personenkonstellation wäre er der Letzte gewesen, den man für einen Agenten gehalten hätte. Dazu musste er lernen, zu kontrollieren, ob er verfolgt wurde, ohne seine möglichen Verfolger merken zu lassen, dass er kontrollierte, ob er verfolgt wurde. Sonny musste sich all die verschiedenen Tricks des Gewerbes aneignen. Das war lästig, aber notwendig für einen Sowjetspion, der in kapitalistischer Umgebung agierte und sich regelmäßig mit seinem Führungsoffizier traf. Philbys spezieller Fall erforderte darüber hinaus, seinen eindeutig linken Fußabdruck zu einem Symptom jugendlichen Überschwangs zu erklären und ihn als verlässlichen, konservativen Bürger Großbritanniens darzustellen.
    Während dieser Inkubationszeit bewarb sich Philby um verschiedene nachgeordnete Posten in der Regierung, insbesondere im Foreign Office, und später auch in der Fleet Street, immer in der Hoffnung, eine Position angeboten zu bekommen, die in eine erfolgreiche Journalistenkarriere münden könnte. Keine dieser Bewerbungen führte auch nur zu einem Vorstellungsgespräch. Als ich die Situation mit den Genossen in der Residentur analysierte, kamen wir zu dem Schluss, dass Philby auf so etwas wie einer schwarzen Liste

Weitere Kostenlose Bücher