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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
Autoren: Robert Littell
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dass ich mir einen gewissen Mr Harold Philby ansehen würde. »Oh, Sie meinen Kim«, sagte Colonel Menzies. »Ich kenne seine Leute. Westminster. Cambridge. Trinity. Solide britische Familie. Auch wenn der Paterfamilias – ha!, ich weiß noch, dass der Admiral ihn den Haddsch nannte – ein absolutes Unikum ist.«
    Normalerweise hat man durch eine Referenz von jemandem aus dem Allerheiligsten bereits einen Fuß in der Tür. Aber wie mein verstorbener Chef, Admiral Sinclair, Gott sei seiner Seele gnädig, gehöre auch ich zur alten Schule. Was bedeutete, dass Mr Philby seinen anderen Fuß noch vor der Tür hatte. Routinemäßig erkundigte ich mich bei unseren langnasigen Cousins vom MI5 nach ihm, die mir ein Memo schickten, das so knapp gehalten war, dass ich es in Gänze aus dem Kopf zitieren kann.
    Von: Mr Montague Smallwood, MI5, Abteilung Sicherheit
    An: Miss Majorie Maxse, MI6, Abteilung Anwerbung
    Betrifft: Harold Adrian Russell Philby, alias Kim
    1. Gegen ihn liegt nichts vor.
    »Noch Tee, Mr Philby?«
    »Danke, nein, Miss Maxse.«
    »Reden wir Tacheles. Wir wissen alle von Ihren Eskapaden in Cambridge, Ihrer Mitgliedschaft in der berüchtigten Sozialistischen Gesellschaft und dass Sie für die sozialistischen Kandidaten in Romney Town Plakate geklebt haben. Wir wissen von Ihrer Reise nach Wien, um dort den Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland zu helfen. Guter Gott, sind Sie tatsächlich mit dem Motorrad bis nach Wien gefahren?«
    Er beugte sich vor. »Es war ein Daimler mit einem von den neuen V-Zwölf-Flugmotoren …«
    »Man sollte einem Menschen nicht mehr erklären, als er oder sie verstehen kann, Mr Philby. Das ist noch etwas, was Sie im Hinterkopf behalten sollten, falls wir zusammenkommen.«
    »Ich werde es nicht vergessen, Miss Maxse.«
    »Wie ich schon sagte, halten wir Ihnen Ihre Eskapaden nicht vor. Wir sind ganz allgemein der Ansicht, dass kein Herz hat, wer in seinen Zwanzigern kein Revolutionär war. Wer es allerdings in seinen Dreißigern noch immer ist, der hat kein Hirn. Großer Gott, wenn wir alle ausschlössen, die in ihrer vergeudeten Jugend mal kurz mit Marx geliebäugelt haben, müssten wir den Krieg mit der weiblichen Reserve bestreiten. Wir wissen natürlich auch um Ihre Ehe mit Miss Friedmann. Ziemlich gute Vorstellung von Ihnen, muss ich sagen. Die jüdische Jungfer in Bedrängnis. Sie sind immer noch mit ihr verheiratet, habe ich recht?«
    »Das bin ich. Wir hielten es b-b-beide für das Beste, so lange verheiratet zu bleiben, wie Hitler Europa bedroht.«
    »Was für ein Verhältnis haben Sie zueinander, mal abgesehen davon, dass Sie verheiratet sind?«
    »Wie b-b-bitte?«
    »Schlafen Sie miteinander? Kopulieren Sie?«
    »Sie sind b-b-beunruhigend direkt, Miss Maxse. Wir haben nicht mehr miteinander geschlafen, seit ich für die
Times
nach Spanien gegangen bin, um über den Krieg dort zu berichten.«
    »Wann und wo haben Sie Miss Friedmann zuletzt gesehen?«
    »In Paris. Während des Krieges, den die Zeitungen den ›vorgetäuschten‹ nannten. Ich war beim Britischen Expeditionskorps in Arras akkreditiert. Litzi – Miss Friedmann – traf mich zum Frühstück im La Coupole. Sie war in die französische Hauptstadt gefahren, weil sie versuchen wollte, zwei Kohlezeichnungen von einem italienischen Maler namens Modigliani zu verkaufen. Unser Wiedersehen verlief äußerst zivilisiert. Sie war mit ihrem Liebhaber da. Anständiger Kerl. Journalist, glaube ich. Georg Soundso.«
    »Honigmann?«
    »Wie bitte?«
    »Sein Name ist Georg Honigmann.«
    »Ah. Ich glaube, Sie haben recht. Er und Litzi sprachen Deutsch miteinander.«
    »Das würde passen. Ist er Kommunist?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Miss Maxse. Wobei, so wie ich Litzi kenne, die eine sehr überzeugte Kommunistin ist, ist er vermutlich auch einer.«
    »Wollen Sie damit andeuten, all ihre Geliebten seien Kommunisten gewesen?«
    »Ich will gar nichts in dieser Richtung andeuten. Aber dass es mir nicht gelungen ist, über die Geliebten meiner ehemaligen Geliebten Buch zu führen, wird mir doch sicher nicht zu meinem Nachteil ausgelegt werden?«
    »Sind Sie Kommunist, Mr Philby?«
    »Großer Gott, nein.«
    »Ich muss Ihnen diese Frage stellen. Wir haben alle Artikel, die Sie als Sonderkorrespondent für die
Times
in Spanien verfasst haben, gelesen. Sie hatten offenbar wenig Sympathie für die republikanische Seite. So haben Sie zum Beispiel in einem Artikel die Bombardierung des Hafens von Barcelona durch die Nationalisten
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