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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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hübscher Trick, den mir mein verstorbener Bruder Nigel beigebracht hat, als ich zwölf war, und der mir gute Dienste leistet, wenn es, gerade an regnerischen Tagen, darum geht, schnell ein Taxi herbeizurufen. H. A. R. Philby drehte sich höchst verwirrt zu mir um. »Trinken Sie eine Tasse Tee mit mir«, rief ich quer durch den Raum. »Ich bin Miss Maxse, ihre Vier-Uhr-Verabredung.« Ich füllte bereits eine zweite Tasse mit dem wundervollen grünen Tee aus China, den das St. Ermin’s kaum würde nachbestellen können, sollte sich der europäische Krieg bis nach Asien ausweiten, wie ich befürchtete. »Nehmen Sie Zucker, Mr Philby?«
    Er setzte sich mir gegenüber. »Ich weiß n-n-nicht.«
    »Das ist ja fast schmeichelhaft, Mr Philby! Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein männliches Exemplar unserer Gattung so aus der Fassung gebracht hätte, dass es nicht mehr wusste, ob es seinen Tee mit oder ohne Zucker trinkt.«
    »Ah, ja. Zwei Stück b-b-bitte.«
    »Gut. Sie erinnern sich wieder.«
    »Ich hatte erwartet …« Er führte den Satz nicht zu Ende.
    »Spucken Sie’s schon aus, mein Junge. Sagen Sie ruhig, was Sie erwartet haben.«
    »Ich weiß es selbst nicht recht.«
    »Lassen Sie mich Ihnen auf die Sprünge helfen. Sie sind schließlich nicht von gestern. Als Ihr Auslandsredakteur der
Times,
der so mürrische Mr Deakin, Ihnen gesagt hat, dass jemand mit Ihnen über ihre Kriegsarbeit reden wolle, werden Sie sich gedacht haben, dass der SIS sich für Sie interessiert. Aber Sie haben mit jemand Jüngerem gerechnet.«
    Sein Schweigen war mir Antwort genug.
    »Und Sie hatten bestimmt einen Gentleman erwartet«, sagte ich.
    Ich sehe nicht mehr so gut wie früher, aber ich hätte schwören können, das Rot seiner Wangen vertiefte sich. »Ich wusste nicht, dass auch Damen dort arbeiten … wo immer Sie arbeiten mögen«, sagte er.
    »Es sei denn, als Sekretärinnen.«
    »Sie v-v-versuchen, mich auf dem f-f-falschen Fuß zu erwischen, und ich muss zugeben, es ist Ihnen gelungen.«
    »Heutzutage freue ich mich über jedes kleine Erfolgserlebnis.«
    Er nippte an seinem Tee. »Ich n-n-nehme an, Sie bekleiden einen höheren Rang. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sie eine Sekretärin schicken, um einem möglichen Neuzugang auf den Zahn zu fühlen. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, muss aber wohl angenommen haben, dass es bei Ihnen in den höheren Etagen wie im Offizierskorps der Armee aussähe.«
    »Männer, die in solide Armitage-Shanks-Urinale pinkeln und sich dabei auf die Decke konzentrieren, um bloß nicht versehentlich einen Blick auf den Schwanz des Nachbarn zu erhaschen.«
    »So in etwa.«
    »Damit hätten wir dann wohl die erste Hürde genommen: Ihre Vorurteile. Falls Sie tatsächlich für uns arbeiten sollten, müssten Sie lernen, unvoreingenommen zu sein.«
    »Ich werde daran denken, Miss Maxse.«
    Ich gelte nicht unbedingt als jemand, der viel lächelt, aber ich vermute, dass ich meine Regel in diesem Moment mit einem Grinsen gebrochen habe. Ich war eindeutig Herr der Situation. Ich steuerte das Gespräch so, wie es mir gefiel. »Ihr Vater scheint sehr darauf aus zu sein, dass Sie in unsere Dienste treten«, bemerkte ich.
    »Da sind Sie mit den Wünschen meines Vaters vertrauter als ich, Miss Maxse.«
    »Er hat ein gutes Wort für Sie eingelegt, aber es war nicht er, der Sie als möglichen Kandidaten ins Gespräch gebracht hat.«
    »Darf ich fragen, wer es dann war?«
    »Nein.«
    »Ah.«
    Tatsächlich war sein Name von einem alten Trinity-Freund, Guy Burgess, ins Spiel gebracht worden, den wir vor ein paar Wochen beim F. O. abgeworben hatten. Angesichts des Krieges, der auf dem Kontinent wütete, suchte der SIS händeringend nach mehr Personal, und so fragten wir regelmäßig die neuen Rekruten, ob sie uns Freunde oder Kollegen nennen könnten, die für das qualifiziert wären, was wir euphemistisch Kriegsarbeit nannten. Der erste Name auf der Karteikarte, die Mr Burgess mir gab, war Harold Adrian Russell Philby. Er beschrieb ihn als jemanden, der mehrere Sprachen beherrschte und Europa wie seine Westentasche kannte. Komischer Ausdruck. Ich war nicht sonderlich vertraut mit den Untiefen von Westentaschen – allerdings trug ich ja auch keine Westen. Wir waren im sechsten Stock des Caxton, im Allerheiligsten gewesen. Ich hatte Burgess Colonel Menzies vorgestellt, der neununddreißig die Nachfolge von Admiral Sinclair als Chef des SIS angetreten hatte, und ganz nebenhin erwähnt,

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