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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Times
zulegen müssen, muss als Verrat an König und Vaterland angesehen werden.«
    Ich erzähle Ihnen diese Episode, Mr Deakin, damit Sie verstehen, womit sich Kriegsreporter, um den Begriff meines Vaters zu benutzen, herumschlagen mussten, wenn sie über das BEF in Flandern berichten wollten. Der Höhepunkt unseres Aufenthalts im Hôtel du Commerce bestand in der Organisation der Wette, ob der »vorgetäuschte Krieg« mit einem Wimmern oder einem Knall zu Ende gehen würde. Alle siebenunddreißig Journalisten, die im Hotel einquartiert waren, dazu ein bunter Haufen von BEF-Offizieren,
maître d’s,
Restaurant-Captains, Empfangschefs und Telegrafen haben je drei Pfund gesetzt.
    Und die Jungs, die auf den Knall gewettet haben, darunter auch ich, haben gewonnen!
    Am 10. Mai, einem Freitag, wenn ich mich recht erinnere, begann der »heiße« Krieg. Deutsche Panzerdivisionen rückten durch die Wälder der Ardennen vor, umgingen die Maginot-Linie und griffen Belgien und Frankreich aus unerwarteter Richtung an. In London besaß Premierminister Chamberlain, der nach der Münchner Konferenz mit Hitler den Schirm geschwenkt und »peace in our time« versprochen hatte, genug gesunden Menschenverstand, um zurückzutreten. König George VI. seinerseits besaß genug gesunden Menschenverstand, den ehemaligen Marineminister Winston Churchill zu Chamberlains Nachfolger zu machen. Mein eigener gesunder Menschenverstand sagte mir, das Hôtel du Commerce zu verlassen, um den einmarschierenden
Boches
zu entkommen, die wenig später die Front des BEF durchstießen, Richtung Kanal zogen und die alliierten Armeen wirkungsvoll zweiteilten. Das war, wie alle inzwischen begriffen haben, der Anfang eines entsetzlichen Debakels, das als die schlimmste Niederlage der britischen Streitkräfte in der Geschichte gelten muss. Wir Kriegsreporter flohen aus Arras in einem von Presseleuten des Generalstabs für uns requirierten städtischen Bus. Sie fühlten sich verpflichtet, uns persönlich zu begleiten. Die nächsten Tage vergingen in einem Nebel aus Staub und Panik. In Horden flüchteten die Zivilisten, um ihr Leben fürchtend, über die Straßen Nordfrankreichs, manche auf kaputten Fahrrädern, andere mit Karren, auf denen sich ihre Habseligkeiten türmten. Wir kamen durch verlassene Dörfer, in denen es nur noch tolle, von ihren Besitzern zurückgelassene Hunde gab. An Zäune gebunden, heulten sie vor Hunger und waren schon von weither zu hören. Unsere BEF-Leute erlösten sie, eine Kugel pro Hund. Wir fuhren über Brücken, an deren Pfeilern bereits Sprengladungen angebracht wurden. Schließlich erreichten wir Amiens, wo wir noch vor Tagesanbruch aus den Betten geholt wurden, um nach Boulogne zu fliehen. In der Stadt herrschte Chaos. Soldaten aus einem Dutzend Länder biwakierten in den Straßen, Flüchtlinge auf Pferden, Fahrrädern und zu Fuß verstopften die Ein- und Ausfallstraßen. Die örtliche Gendarmerie patrouillierte durch die Nacht, um die Plünderung verlassener Häuser zu verhindern. Von Zeit zu Zeit hallte ein Gewehrschuss durch die Straßen und ließ Gerüchte aufkommen, deutsche Fallschirmjäger seien auf den Fußballfeldern neben den Schulen gelandet. Da die Telegrafenverbindungen nach England unterbrochen waren, konnte ich nicht mal Berichte über die Geschehnisse durchgeben. Nicht dass der Zensor sie durchgelassen hätte, vor allem nicht, wenn ich wieder auf das Wetter zu sprechen gekommen wäre.
    An unserer Arbeit gehindert, liehen sich einige von uns die Limousine des Hotels aus und fuhren zum Golfspielen auf den berühmten Platz von Le Touquet. Unterwegs trafen wir auf P. G. Woodhouse, der ein Cottage in der Gegend hatte. Voller Freude, auf Engländer zu treffen, lud er uns auf einen Drink ins örtliche Café ein, wo er uns erzählte, er und seine Frau gingen davon aus, dass die Deutschen zivilisierte Leute seien, ungeachtet gegenteiliger Propaganda, und so hätten sie nicht die Absicht, sich an dem Exodus zu beteiligen. Glücklicherweise hatten wir unsere Fahrt unterbrochen, denn plötzlich hieß es, Guderians Panzer hätten bereits die ersten neun Löcher erreicht. Als wir das hörten, ließen wir jeden Gedanken an Golf fallen und fuhren geradewegs nach Calais (wir dachten uns, wir könnten den Wagen auch nach dem Krieg zurückgeben, wie Martha Gellhorn von
Collier’s Weekly
scherzte). Tatsächlich bedauerte ich es, dass wir nicht nach Le Touquet gefahren waren. Stellen Sie sich die

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