Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
Hinrichtung mit ihm gesprochen, und er wusste nichts vorzubringen, was an meiner Überzeugung gerüttelt hätte, dass der Engländer ebenfalls Agent einer ausländischen Macht war und ist. Ich möchte dazu anmerken, dass die Londoner Residentur eine wahre Jauchegrube des Verrats ist. Malis Vorgänger, Ignati Reif, wurde als ausländischer Spion erschossen. Anatoli Gorski, Deckname ›Kapp‹, Malis Nachfolger, der viele der Telegramme des Residenten, in denen er den Engländer verteidigte, gegengezeichnet hat, wurde im letzten Jahr nach Moskau zurückbeordert und wird derzeit ebenfalls befragt. Es gibt den ernsten Verdacht, dass auch er, genau wie seine beiden Vorgänger, Agent einer ausländischen Macht ist. Angesichts von Gorskis starrköpfiger Verteidigung des Engländers, der dem Befehl, Franco zu töten, nicht nachgekommen ist, wäre ich nicht überrascht, wenn die Untersuchung zu einer Anklage und einem Geständnis führt.«
    Der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch sah den Genossen Beria an. »Wer hat dem Engländer befohlen, Franco zu ermorden?«
    »Es war weniger ein Befehl als eine Anregung«, erklärte der Genosse Beria. »Ich habe Sie eines Abends sagen hören, das Einzige, was die Situation in Spanien noch retten könne, sei der Tod Francos. Ich habe es daraufhin für richtig befunden, Ihren Kommentar weiterzugeben …«
    »Wie kann von einem Journalisten, der darauf trainiert ist, Informationen zu sammeln, die Ausführung eines Attentats erwartet werden?«, fragte der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch.
    Genosse Beria wirkte aufgeregt. »Ich möchte ergänzen, dass von ihm nicht erwartet wurde, Franco selbst zu töten, sondern nur, Schwachstellen in Francos Sicherheitssystem aufzudecken, damit qualifiziertere Agenten die Aufgabe hätten übernehmen können.«
    Ich spürte, wie der Boden unter meinen Füßen zu schwanken begann. Der Umstand, dass der Engländer nicht den geringsten Versuch unternommen hatte, Franco zu eliminieren, war das Fundament meiner Vorwürfe gegen ihn. »Es gibt noch mehr Beweise, hochgeachteter Josef Wissarionowitsch«, sagte ich. Ich fürchte, dass meine Stimme unsicher klang. Ich verhinderte, dass ich zu zittern anfing, indem ich beide Handflächen flach auf den Tisch legte.
    Der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch zog die Brauen zusammen. »Sie wirken nervös«, bemerkte er.
    »Ich bin nur erschöpft«, sagte ich. »Ich habe fast die ganze Nacht an meinem Bericht gearbeitet.«
    Bildete ich es mir nur ein, oder zuckte der Schnauzbart des hochgeachteten Josef Wissarionowitsch wie die Schnurrhaare einer Katze, die mit einer Maus spielte? »Fahren Sie fort«, sagte er.
    »Als der Engländer vor sieben Monaten zum ersten Mal behauptete, vom SIS angeworben worden zu sein, stellten wir ihm eine Frage: ›Nennen Sie uns die Namen der SIS-Agenten in der Sowjetunion.‹ Darauf antwortete er …«, zum ersten Mal ließ ich den Blick über die Anwesenden gleiten, einige von ihnen wandten die Augen ab, »… dass es keine SIS-Agenten in der Sowjetunion gebe. Keine britischen Agenten? Keine britischen Netzwerke? Was sollen wir von dieser Antwort halten, wo doch Tausende zugegeben haben, britische Agenten zu sein, und dafür die Höchststrafe erhalten haben?«
    Ich sah wieder den hochgeachteten Josef Wissarionowitsch an, der eine versiegelte Flasche Borjomi öffnete und ein Glas mit Mineralwasser füllte. Mit einem Finger der linken Hand hob er seinen Schnauzbart an, nahm einen Schluck und tupfte sich die Lippen mit dem unteren Ende seines Ärmels trocken. Der hochgeachtete Josef Wissarionowitsch sah zum Genossen Beria hinüber und neigte den Kopf zur Seite. Offenbar war das eine Geste, die der Genosse Beria verstand. »War es das, Oberleutnant Modinskaja?«, rief er über den Tisch.
    »Es gibt da noch den verdächtigen Lebensstil des Engländers«, sagte ich. »Laut Aussage des Londoner Residenten trinkt Sonny sehr viel. Er scheint über einen unerschöpflichen Vorrat an Schwarzmarkt-Whisky zu vier Pfund die Flasche zu verfügen, was sich angesichts seines Konsums auf wöchentlich zwanzig Pfund summiert, und das bei einem angenommenen Einkommen von fünfzig Pfund pro Monat. Darüber hinaus gibt er viel in einem
public house
aus, dem Duke of York in der Jermin Street, und er ist Mitglied in einem Gentlemen’s Club mit dem Namen Athenaeum, wo er gelegentlich essen soll. Die Frage ist: Woher kommt das Geld? Ich weise auf die Möglichkeit hin, und ich würde sogar so weit gehen, von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher