Phillips Bilder (German Edition)
Moment richtig bewusst. Und erst jetzt kann ich nachempfinden, was Benjamin mir die ganze Zeit nahebringen wollte. Dass es egal ist, ob er eine Oldieband hört, Partyspiele mag, oder den Rasen auf Millimeterlänge kürzt. Weil er meine Familie ist und mir nichts Schlechtes will. Ich bestelle einen Kaffee und sehe auf. Er kommt über den Marktplatz auf mich zu. Spontan stehe ich auf, lächle ihn an und umarme ihn. Länger als zwischen uns üblich. Er klopft mir auf die Schulter, bevor er sich löst und wir setzen uns.
„Ich hoffe, du hattest eine schöne Feier. Es tut mir leid“, sage ich leise, während ich Milch in meinen Kaffee schütte.
„Wir haben auf dich gewartet.“
Ich presse die Lippen aufeinander. „Ich habe doch eine SMS geschickt.“
„Eine SMS!“
„Da war dieser Junge, er hat mich ziemlich durcheinandergebracht.“ Ich rede mich um Kopf und Kragen. „Er hatte die Idee, nach Italien zu fahren. Er hat gesagt, ich kann ja zurücktrampen. Aber ich hätte darauf achten müssen, welcher Wochentag ist, nicht auf ihn vertrauen.“
Vater antwortet nicht, er bestellt einen Kaffee. Schließlich meint er: „Die Platte habe ich noch nicht.“
„Gut, ich war mir nicht sicher.“ Ich schaue über den Markt, hole Luft. „Eine Freundin plant eine Ausstellung, ich brauche Vergrößerungen von ein paar Fotos.“
„Eine Ausstellung?“
„Ja, in einer alten Fabrikhalle, da ist viel Platz.“
„Wir könnten Fotodrucke auf Leinwand machen und aufziehen.“
„Klingt fantastisch.“
„Okay, komm morgen. Ich muss jetzt wieder rein.“
„Super, Vati.“ Er sagt nichts davon, dass ich nach Hause kommen soll und das ist gut so. Hätte er es vorgeschlagen, wäre ich mitgekommen, aber ich weiß nicht, ob ich mich wohlfühlen würde. Ich umarme ihn wieder und sehe ihm nach, wie er über den Platz zurück in sein Geschäft geht.
Ich zahle, dann raffe ich meine Einkaufstüten zusammen und schwinge mich aufs Rad. Als ich den Stadtrand erreiche, schlage ich einen anderen Weg ein, als den, auf dem ich gekommen bin. Ich fahre durch unsere Siedlung, werfe einen Blick auf mein Elternhaus, das genauso ordentlich und gepflegt da steht wie immer, ohne Leben und kühl.
Ich fahre schneller, erreiche den Feldweg an den Bahnschienen. Der Mohn am Feldrain ist verblüht, das fahlgrüne Getreide wiegt sich im Wind, ich genieße die Brise und die Sonne auf meiner Haut. Der Weg führt unter den Bahnschienen durch eine Unterführung, folgt einem alten Hohlweg, der von Pappeln gesäumt ist. Ich richte mich auf und schaue mich glücklich um, denn hier fühle ich mich zu Hause.
Ich erkenne das erste Haus am Ortsrand, die Villa, zwischen dem Grün der Bäume halb versteckt, ein Giebel ragt heraus. Langsam fahre ich näher. Alles ist still und trotzdem wirkt das Haus lebendig, ein großes Weidentipi ist im Garten errichtet, neben dem Haus liegt selbstgebautes Spielzeug, in den Fenstern drehen sich Mobiles. Ich hole meine Kamera hervor und mache einige Fotos von der Villa und dem Garten voller Sträucher, Unkraut und niedergetrampelten Wegen. Als der Film voll ist, wende ich mich lächelnd ab und radle weiter.
Ich fahre über Feldwege und durch eine Ansiedlung, bevor ich zurück bin. Benjamins und Davids Haus wirkt ein wenig schäbig, aber sehr gemütlich und so, als würde man gern darin wohnen. Der Bus, der heute früh noch vor dem Haus stand, ist verschwunden. Seth muss hier gewesen sein. Oder dieser Niko. Egal, ich wollte ihn nicht treffen. Ich kann froh sein, dass ich ihn nicht sehen musste. Ich schiebe den Gedanken so weit weg, wie ich kann.
Ich bringe die Einkäufe ins Haus und beschließe, das Abendessen vorzubereiten. Nein, noch besser, zu grillen. Als Dankeschön vielleicht. Oder als Abschied? Wenn Vati morgen doch will, dass ich zu ihm komme, kann ich nicht Nein sagen.
Benjamin und David müssen bald zurück sein. Ich hole den Grill aus dem Schuppen und schrubbe ihn ab. Fülle Holzkohle ein und entzünde sie. Als ich beginne, das Gemüse zu putzen, höre ich den Käfer in der Einfahrt. Fast fühle ich mich wie eine Hausfrau, deren Mann heimkommt, Männer vielmehr – ich grinse. Benjamin und David kommen in den Garten.
„Bin doch noch da“, ich gebe beiden einen Kuss auf die Wange, ganz wie eine treusorgende Ehefrau. „Aber ich rede wieder mit meinem Vater und Anna war auch da.“
„Anna ist hier?“, fragt Benjamin.
„Marek auch. Wir waren in der Fabrik, Anna will eine Ausstellung machen.“
„Und dein
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