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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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jederzeit. Du weißt, ich wollte ohnehin noch mit dir reden.«
    Ein höfliches Lächeln flog über Veronikas Gesicht. »Vielleicht ein andermal. Es ist schon spät. Ich habe nur gemeint, dass du das kurze Stückchen bis zum Gymnasium mit mir gehst und wir uns dann verabschieden.«
    »Du wohnst doch in der entgegengesetzten Richtung«, registrierte Jäger erstaunt.
    »Ja, aber ich gehe noch nicht nach Hause. Noch nicht gleich«, lächelte Veronika verkrampft weiter. »Machen wir uns auf den Weg?«
    »Natürlich, Veronika, natürlich.« Geschäftig schlüpfte Franz Jäger in seinen Mantel und hängte sich seinen Schal um. »Es ist kälter geworden, glaube ich«, sagte er.
    »Mich friert jetzt schon«, pflichtete Veronika ihm bei. Sie warf einen letzten Blick in Richtung Theke. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sie registrierte, dass der Glatzkopf nicht mehr dort stand.
     
    *
     
    »Zahlen!«, rief Mario Schweda von der Theke wichtigtuerisch durchs Lokal.
    »Kollege kommt gleich«, versuchte Leopold, ihn zu beruhigen. Er selbst hatte gerade jede Illusion verloren, dass dieser Abend noch etwas Erfreuliches für ihn bereithalten könnte. Weder die majestätisch leuchtenden drei Kerzen noch seine verzweifelten Hinweise und Anspielungen hatten auch nur einen vom Philosophenzirkel zu einer Kranzspende animiert.
    Waldi Waldbauer, in dessen Hosensäckel es hingegen bereits verdächtig klimperte, eilte diensteifrig herbei. »Essen, Willkommensglas und zwei Getränke zahlt die Firma, eine Runde Punsch geht aufs Haus, bleiben vier Achtel Weiß und vier Punsch, macht 19,20 Euro der Herr, wenn ich bitten darf«, rechnete er schnell zusammen.
    »Augenblick bitte.« Schweda griff erst in seine linke, dann in seine rechte Jackentasche, dann links und wiederum rechts in seine Hose. Er stutzte. »Das gibt’s doch nicht«, murmelte er.
    »19,20 Euro. Sie können nachrechnen«, erklärte Waldbauer.
    »Aber das meine ich ja nicht. Wo ist bloß das verdammte Geld?«
    Waldbauer wurde ein wenig ungeduldig. Es war spät, er wollte nach Hause. »Vielleicht in der Innentasche vom Sakko?«, machte er höflich aufmerksam.
    »Nein, ausgeschlossen«, verlor Schweda langsam die Beherrschung. »Ich habe mir heute nur ein paar Scheine eingesteckt, die müssen doch da … oder da …«
    »Oder überhaupt?«, rutschte es Waldbauer heraus.
    »Sparen Sie sich Ihre blöden Bemerkungen. Das Geld ist weg. Was soll ich machen?«
    »Jetzt sagen Sie bloß, man hat es Ihnen gestohlen.« Waldbauer lächelte überlegen. Er kannte diese plumpen Versuche der Gäste, sich ihrer Zahlungspflicht zu entledigen.
    »Exakt!« Schweda wurde allmählich wieder nüchtern. Eine Idee begann, sich in seinem Kopf festzusetzen. »Das … das muss Veronika gewesen sein«, platzte es aus ihm heraus. »Da vorn bei den Toiletten war es. Ich habe sie nur kurz festgehalten, das hat sie eiskalt ausgenützt.«
    »Ach so! Aha!« Waldbauer zeigte sich interessiert.
    »Diese miese Ratte! Können Sie sich das vorstellen? Sie schuldet mir Geld, dann nimmt sie mir auch noch was weg. Am liebsten würde ich sie umbringen«, steigerte Schweda sich in eine immer größere Wut.
    »Dürfte ich jetzt bitte die 19,20 Euro kassieren?«, forderte Waldbauer, der immer noch von einem Täuschungsmanöver überzeugt war, unerbittlich.
    Doch Schweda beachtete ihn gar nicht mehr. »Ich werde mir das Geld schon holen!«, brüllte er mit donnernder Stimme. »So weit kann diese Dirne gar nicht sein. Die kaufe ich mir jetzt, und dann gnade ihr Gott.« Damit schnappte er seinen Mantel und war auch schon zur Tür hinaus.
    »Hast du das gesehen? Jetzt ist er weg, und ich kann mir das Geld in die Haare schmieren«, beklagte sich Waldbauer gestenreich bei Leopold.
    »Unsinn, du kriegst deine Marie schon noch«, versuchte Leopold, ihn zu beruhigen. »Wirst sehen, der kommt morgen vorbei und zahlt. Und wenn nicht, dann wissen wir immerhin, wo er arbeitet. Etwas anderes bereitet mir viel größere Sorgen.«
    »Was denn?« Waldi war ganz Ohr.
    »Ich hab Angst, dass der junge Mann gerade im Begriff ist, eine große Dummheit zu begehen.«
     

4
    Der Trennungsschmerz und ihre neue Situation waren zu viel für Julia Leichtfried gewesen. Sie hatte dem Alkohol stärker zugesprochen, als sie es gewohnt war und ihr zarter Körper es vertrug. Die lockere Atmosphäre, den Punsch, die Aufmerksamkeit, die ihr von ihren männlichen Nachbarn entgegengebracht worden war – das alles hatte sie bis zu jenem Zeitpunkt

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