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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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genossen, als irgendetwas in ihr nicht mehr mitmachte und sie die Kontrolle verlor. Thomas Korber versuchte verzweifelt, sie zu einem Aufbruch zu bewegen, aber seine Bemühungen schienen erfolglos. »Julia, komm bitte. Das Kaffeehaus sperrt gleich zu, wir müssen gehen«, forderte er sie zum wiederholten Male auf.
    »Können wir nicht noch ein wenig bleiben und die Stimmung genießen?«, kam die träge Antwort.
    »Außer uns ist praktisch niemand mehr da.« Korber warf einen hilfesuchenden Blick in Richtung Leopold. Den schien die Situation einigermaßen zu amüsieren. »Ja, ja, jeder tragt sein Binkerl«, sagte er nur. »Jetzt musst du eben schauen, wie du dein Weihnachtsbinkerl nach Hause bekommst.«
    »Jetzt hör auf zu scherzen und geh mir lieber zur Hand«, forderte Korber ihn ungeduldig auf. »Oder willst du, dass sie euch die ganze Nacht hier sitzen bleibt?«
    Leopold zeigte ein Einsehen und half seinem Freund Thomas, Julia aus ihrem Sessel hochzuheben. »Hinaus wirst du sie ja kriegen, aber was weiter?«, überlegte er zweifelnd. »Ich denke, ich rufe euch beiden lieber ein Taxi.«
    »Taxi?«, meldete sich da Julias zarte Stimme zu Wort. »Kommt gar nicht infrage. Ich liege dir ohnehin schon den ganzen Tag auf dem Geldbeutel, Thomas. Wir gehen zu Fuß.« Sie riss sich von den beiden los und stolperte, bemüht, den Eindruck körperlicher Fitness zu erwecken, zu dem Kleiderhaken, wo ihre Jacke hing.
    »Wirst du das auch schaffen?«, war sich Korber gar nicht sicher.
    Wie jeder betrunkene Mensch, dem man aufgrund seines augenblicklichen Zustandes grundlegende Fähigkeiten abspricht, reagierte auch Julia unwirsch. »Klar«, antwortete sie, während sie kurz einen Tisch rammte. »Was soll die blöde Fragerei? Wir stapfen noch ein wenig durch den Schnee. Und weißt du was? Wir gehen beim Gymnasium vorbei, der Stätte meiner Jugendsünden.«
    Korber atmete auf. Das Gymnasium lag zwar nicht an einer Hauptstraße, sondern ein wenig abseits, aber es war nur ein paar Schritte entfernt, und unweit davon kam man zu einem Durchgang auf den Franz-Jonas-Platz, von wo die S-Bahn, Straßenbahnen und Autobusse abfuhren und wo auch immer Taxis standen. Bis dorthin würde er Julia schon ohne größere Probleme bekommen. »Na gut, gehen wir«, forderte er sie erleichtert auf.
    »Sei vorsichtig, Thomas. Und wenn die frische Luft zu sehr angreift, ruf mich an«, gab Leopold letzte Ratschläge.
    Aber die frische Luft schien Julia Leichtfried im Gegenteil wieder lebendiger zu machen. Es schneite nur mehr leicht. Sie begann, auf dem vom Schnee teilweise schon geräumten Gehsteig hin- und herzuhüpfen, dass es Korber gleich wieder angst und bange wurde. »Komm, fang mich doch«, rief sie ihm zu.
    »Julia, sei bitte vernünftig und lass das. Du fällst nur hin und tust dir weh«, kam es von Korber in vielleicht zu lehrerhaftem Ton. Denn kaum war er fertig, klatschte ihm ein von Julia überraschend zielsicher geworfener Schneeball ins Gesicht. »Spiel nicht den Oberlehrer und fang mich«, munterte sie ihn erneut auf.
    Korber begann, das Spiel mitzuspielen. Er griff nach dem am Straßenrand aufgehäuften Schnee, warf nun seinerseits nach Julia, traf aber nicht. Julia wollte laufen, setzte jedoch nur unbeholfen einen Schritt vor den anderen und wurde rasch von Korber eingeholt. Er packte sie bei den Schultern. »Hab ich dich!«, rief er, um seinen Sieg zu verkünden. Die Sache machte ihm langsam Spaß. Julia riss sich allerdings los, taumelte und floh nach rechts um eine Ecke auf einen kleinen, von der Straße abgeschirmten Vorplatz, der bereits zum Gymnasium gehörte. Es war finster. »Hier bin ich«, piepste sie.
    Julia lief nicht mehr, sondern stand, an die Wand gelehnt. Hatte sie aufgegeben? Wartete sie auf etwas? Diesmal nahm Korber Julia nur mit einer Hand um den Hals, nicht grob, beinahe zärtlich. »Ich hab dich«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Na, wie gefällt dir das? Du darfst dir jetzt eine Strafe für den Schneeball ausdenken.«
    Aber Julia reagierte nicht. Ihr Gesicht blieb von ihm abgewendet. Sie riss ihre Augen plötzlich weit auf und fixierte einen Punkt in der Dunkelheit. »Ich weiß nicht«, gluckste sie. »Ich glaube, da vorn liegt jemand.«
    »Komm, lenk nicht ab. Sei keine schlechte Verliererin«, beharrte Korber. Julia fühlte sich für ihn in diesem Augenblick weich, zart und verletzlich an.
    »So schau doch selbst. Da liegt jemand. Aber er rührt sich nicht.«
    »Ehrlich?« Korber spielte zum ersten Mal mit dem

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