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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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wenigen Menschen, die ausstiegen. Wo war Tante Agnes? Wie viel Gepäck hatte sie mitgebracht? Wie sah sie aus? Hatte sie sich von dem Tod ihres Gatten schon gut erholt? Während er sich all diese Fragen stellte, war der Bahnsteig bereits wieder leer. Keine Tante. Agnes Windbichler war offensichtlich nicht gekommen.
    Es musste etwas passiert sein. Hatte etwa der Anschluss mit dem Bus von Weitra nach Gmünd nicht geklappt und hatte sie deshalb den Zug versäumt? Leopold versuchte einen Anruf bei ihr zu Hause, aber sie meldete sich nicht. In leichter Panik lief er zu dem einen besetzten Schalter, um eine Auskunft zu erhalten. Ungeschickt, die ungewohnten Blumen in der Hand, rempelte er dabei die vor ihm stehende Dame an. »Pardon«, entschuldigte er sich, ganz außer Atem.
    »Nur nicht drängeln, junger Mann«, fing er sich postwendend einen Tadel ein. »Jeder kommt dran.«
    Da erkannte er sie erst. »Entschuldigen Sie, Sie sind doch die Frau Bianca vom Philosophenzirkel«, stellte er überrascht fest.
    »Und Sie der Herr Leopold vom Kaffeehaus. Was machen Sie denn hier?«
    »Dasselbe könnte ich Sie fragen. Meine Tante hätte soeben mit dem Zug ankommen sollen, war aber nicht drin.«
    »Wiederum ein Zeichen für die Unvorhersehbarkeit des Lebens. Ich besorge mir gerade Fahrkarten, wie Sie sehen. Ich fahre zu Silvester nach Gmünd«, gab Bianca Roth knapp Auskunft.
    Nachdem sie ihre Karten gekauft und Leopold erfahren hatte, dass bezüglich des Zuges, in dem er seine Tante erwartet hatte, nichts Außergewöhnliches passiert war, setzten sie ihr kleines Gespräch fort. »So, so, ins Waldviertel wollen Sie also«, erkundigte Leopold sich noch einmal.
    »Ja. Ich feiere den Jahreswechsel mit einer Gruppe Gleichgesinnter in der Blockheide. Kennen Sie vielleicht – den Naturpark mit den Wackelsteinen«, gab Bianca Antwort.
    »Und da organisieren Sie sich Ihre Tickets schon heute?«, fragte Leopold ungläubig. Angst, sich lange anstellen zu müssen, brauchte man auf diesem Bahnhof wirklich nicht zu haben.
    »Wann ich mir meine Bahnkarten kaufe, bleibt wohl mir überlassen. Ich hatte gerade schön Zeit, und ich wollte auf andere Gedanken kommen. Sie wissen vermutlich, was gestern noch vorgefallen ist. Ich hatte schon in aller Früh die Polizei im Haus.«
    »Ja, eine traurige Angelegenheit. Hoffentlich klärt sich alles rasch auf, damit Sie auch wirklich fahren können. Man wird Ihnen sicher gesagt haben, dass Sie sich bis auf Weiteres hier in Wien zur Verfügung halten sollen.«
    »Eine Schikane«, wurde Bianca Roth lebhafter. »Will man uns jetzt alle unserer Freiheit berauben? Sind wir verdächtig, einen Mord begangen zu haben, nur weil wir bei einer Debatte zusammengesessen sind? Das ist doch lächerlich, oder?«
    »Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diejenigen, die mit dem Opfer am Schluss beisammen waren, eine gute Gelegenheit zur Tat hatten«, machte Leopold sie aufmerksam.
    »Unsinn. Wir haben uns in alle Winde zerstreut. Niemand von uns hat Veronika aufgelauert. Der Fehler wird wohl gewesen sein, dass sie nicht gleich nach Hause gegangen ist, so wie ich es ihr geraten habe. In dieser Nacht hing ein Unglück in der Luft. Ich habe das gespürt.«
    »Wo hat sie um diese Zeit wohl noch hingehen wollen?«, markierte Leopold den Unwissenden.
    »Eine gute Frage. Aber wenn man sie vorn bei der Schule gefunden hat, gibt es nur eine Antwort: zu Bernhard. Dieses unselige Ding hat zuerst ihm den Kopf verdreht, und dann er ihr.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Von Beginn unseres sogenannten Philosophenzirkels an hat sie versucht, Bernhards Aufmerksamkeit zu erregen. Das muss Ihnen doch aufgefallen sein. Wie aufgezogen hat sie da zeitweise geredet und ihren Gerechtigkeitsfimmel heraushängen lassen. Es lief immer auf diese kommunistische Gleichmacherei hinaus. Ihren Freund, den Tierschützer, hat sie damals auch noch mitgehabt. Irgendwie hat Bernhard das Steuer dann aber an sich gerissen. Veronika wurde immer schweigsamer und hat nur mehr zugehört. Seine Masche war die von der Selbstbestimmung, damit hat er sie langsam auf seine Seite gekriegt. Ich musste das Ganze ständig mit ansehen und mit anhören. Wie mich das angeödet hat! Die Gespräche wurden immer läppischer, mein Standpunkt wurde überhaupt nicht mehr berücksichtigt. Alles lief nur auf einen Kuschelkurs zwischen Veronika und Bernhard hinaus.«
    »Das hat Sie geärgert, nicht wahr?«, wurde Leopold angriffslustig.
    »Das kann man wohl sagen. Es hat nichts

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