Philosophenpunsch
musste sich durchsetzen. »Es geht wirklich nicht. Wir vom Philosophenzirkel treffen uns heute noch einmal im Café Heller. Wir müssen die Lage besprechen. Es ist wichtig, dass wir die Ereignisse von gestern Abend gemeinsam durchgehen.«
»Davon halte ich nicht viel«, teilte ihm Valerie Jäger mit. »Da wird höchstens einer den Mord auf den anderen schieben, man kennt das ja. Und es ist möglich, dass einer von denjenigen, mit denen du dich da zusammensetzt, deine Veronika auf dem Gewissen hat. Willst du trotzdem gehen?«
»Ja, Mutter.« Das Wichtigste war es, jetzt standhaft zu bleiben.
»Dann musst du dich in Acht nehmen, Franzilein, sonst bist du am Ende der Dumme. Deswegen möchte ich vorher schon noch ein wenig mit dir reden. Du bist jetzt genauso verdächtig wie jeder andere. Das macht mir Sorgen.«
Er konnte allein zurechtkommen, ohne ihre ständigen Einmischungen. Er durfte nur nicht allen und jedem die Wahrheit ins Gesicht drücken. Das, was sein Vater so gut gekonnt hatte, als er noch bei ihm und seiner Mutter gelebt hatte, war, verschwiegen zu sein und im richtigen Moment zuzuschlagen. Er fasste sich ein Herz. »Ich wüsste nicht, was es da groß zwischen uns zu besprechen gäbe«, begehrte er kurz auf.
»Das mit dem Schal gefällt mir halt nicht. Es gefällt mir, wenn ich ehrlich bin, überhaupt nicht. Und du gehst gleich nach der Arbeit ins Kaffeehaus?«, wollte Valerie wissen.
»Ja.« Franz Jäger räusperte sich. »Ich werde dort eine Kleinigkeit zu mir nehmen.«
»Es ist sicher überteuert und hat keine gute Qualität. Das haben wir doch unlängst besprochen. Bei uns sind noch ein paar alte Semmelknödel über. Da könnte ich dir ganz köstliche Knödel mit Ei daraus zubereiten. Und dazu einen frischen, knackigen grünen Salat. Na, wie wäre das? Kommst du wenigstens zum Essen auf einen Sprung vorbei?«
»Ja, Mutter«, gab er nach. »Aber höchstens für eine Stunde.«
»Natürlich, Franzilein.«
*
Unverrichteter Dinge fuhr Leopold in Richtung Café Heller. Agnes Windbichler war nicht aus dem Zug ausgestiegen, sie hatte auch zu Hause nicht das Telefon abgehoben. Der Bus aus Weitra war laut Auskunft pünktlich am Bahnhof in Gmünd angekommen. Was also war geschehen? Wo befand sich seine Tante jetzt? Leopold verfluchte ihre Rückständigkeit. Warum, zum Teufel noch einmal, stellte ein Mobiltelefon für sie ein Ding aus einer anderen Welt dar? Besäße sie eins, hätte er sie vermutlich schon erreicht und wüsste, was los war. So blieb Leopold die Tatsache, dass etwas mit ihrer Ankunft nicht geklappt hatte und das ungute Gefühl, dass er nichts, absolut gar nichts, dagegen tun konnte. Schöne Bescherung.
Zugegeben, auch er war nicht gerade ein Freund der modernen Technik. Es hatte lange gedauert, bis er selbst auf ein Handy umgestiegen war, und mit Computer und Internet hatte er heute noch nicht viel am Hut. Brauchte er eine Auskunft oder Information, bekam er sie meist von seinem Freund Thomas Korber. Wollte er wissen, was auf der Welt los war, musste er sich nur im Kaffeehaus umhören. Neuigkeiten erfuhr man dort rasch und mit allen nötigen Kommentaren versehen. Zum Einkaufen gab es zunächst einmal immer noch die traditionellen Läden und Geschäfte. Aber auch im Café Heller konnte man einiges erstehen. Kleine und große Dinge, alt und neu, wechselten dort oft ihren Besitzer zu einem günstigen Preis. Nicht immer konnte man dabei sicher sein, dass die Herkunft der Ware einwandfrei war, aber wen interessierte das schon? Also war für Leopold diese elektronische Ersatzwelt im Grunde nicht nötig. Auch seiner Tante gestand er einen weitgehenden Rückzug von der Modernität zu. Bloß ein Handy hätte sie sich gefälligst anschaffen sollen.
Vielleicht weiß die Chefin etwas, dachte er, als er die Tür des Café Heller öffnete und ein wenig unsicheren Schrittes eintrat. Wie groß war allerdings seine Überraschung, als er seine Tante Agnes, so frisch und munter es für eine Endsiebzigerin möglich war, im lebhaften Gespräch mit Frau Heller am Stammtisch sitzen sah. Sie wirkte gut erholt, ihre Augen hatten wieder den scharfen, alles registrierenden Blick von früher. Und zugenommen hatte sie wohl auch ein bisschen.
»Schade, dass es bald wieder aus ist mit der weißen Pracht«, hörte Leopold Frau Heller sagen. »Überall ist der Schnee weggeschaufelt, und die Häufchen werden schon grau und schmutzig. Es wird wieder nichts mit den weißen Weihnachten.«
»Bei uns zu Hause liegt
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