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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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nicht«, lächelte Leopold. »Ihre Aussage auf dem Kommissariat müssen Sie schon machen. Aber wenn wir uns jetzt alles aufschreiben, haben Sie ein schönes Gedächtnisprotokoll, damit Sie die Dinge in Erinnerung behalten. Dann wird es sicher nicht so schlimm.« Er ging schnell nach vorn zu seiner Lade und holte einen Notizblock heraus, dann zückte er einen Kugelschreiber und fragte: »Also, meine Damen, was war los?«
    »Es war kurz nach Mitternacht«, begann Frau Haupt. »Wir spazierten durch die Freytaggasse zum Schwimmbad und zum Gymnasium.«
    »So spät noch unterwegs?«, erkundigte sich Leopold.
    »Ich habe meinen Hund Gassi geführt«, antwortete Frau Sedlak. »Und meine Freundin Bertha hat mich begleitet. Es muss unmittelbar nach Mitternacht gewesen sein, weil die Straßenbeleuchtung gerade zurückgedreht wurde. Wir haben einen jungen Mann und eine junge Frau gesehen, die vor der Schule standen. Wir vermuten, dass es sich bei der Frau um das spätere Mordopfer handelte.«
    »Sie haben gestritten.«
    »Die Frau wurde immer lauter. Ich glaube, sie sagte etwas von ›nicht rechtfertigen müssen‹.«
    »Der Mann war zudringlich. Ich glaube, er wollte sie küssen.«
    »Da hat sie ihm eine geknallt.«
    »Sie hat sich dann gleich bei ihm entschuldigt.«
    »Aber geknallt hat sie ihm eine. Und wie.«
    »Und der Mann?«, wollte Leopold wissen.
    »Ist Richtung Bahnhof gegangen«, behauptete Bertha Haupt. »Ein bisschen zögerlich, denn er hat sich immer wieder nach ihr umgedreht.«
    »Aber das war noch überhaupt nicht die Hauptsache«, machte Luise Sedlak aufmerksam.
    »Nein, dann wurde es erst richtig spannend. Sag du’s ihm, Luise.«
    »Die Frau wollte in die Wohnanlage gegenüber der Schule. Aber auf einmal stürzte sich ein großer Mann mit Glatze aus der Dunkelheit auf sie.«
    »Ich denke, sie wollte schreien, aber sie konnte nicht. Er muss ihr irgendwie den Mund zugehalten oder sie beim Hals gepackt haben. So genau war das in der Dunkelheit nicht zu sehen. Er hat versucht, sie in den Durchgang zu zerren. Und denken Sie sich: Der andere Mann war noch immer da! Er hat die ganze Szene beobachtet, aber nicht eingegriffen.«
    »Dann hat unser Hund zu bellen begonnen. Leider ist es nur ein kleiner Cockerspaniel, sonst hätten wir ihn auf den Wüstling gehetzt. Dafür haben wir laut geschrien: › ›Loslassen, sofort loslassen, oder wir holen die Polizei‹«, schilderte Luise Sedlak lebhaft. »Da hat er uns bemerkt, hat einen Augenblick von der Frau abgelassen, und sie konnte fliehen.«
    Leopold versuchte, sich den kleinen, kläffenden Köter und die beiden bejahrten Frauen mit ihrer Fistelstimme vorzustellen, wie sie ihren kurzen und einsamen Kampf gegen den Wüterich führten. »Wohin ist sie gelaufen?«, fragte er, während er sich bemühte, mit dem Protokollieren mitzukommen und dennoch eine leserliche Schrift zu hinterlassen.
    »In die Fahrbachgasse, auf der anderen Seite der Schule vorbei«, erläuterte Bertha Haupt.
    Leopold überlegte, dass Veronika Plank wahrscheinlich vorgehabt hatte, hinter dem Gymnasium wieder zurück zur Freytaggasse und letztendlich zu Bernhard Klein zu kommen, in der Hoffnung, ihren glatzköpfigen Verfolger vorher abzuschütteln. Dadurch würde sich auch erklären, weshalb sie schließlich auf dem kleinen Vorplatz zu Tode gekommen war.
    »Wir waren natürlich neugierig und wollten sehen, wie die Sache weitergeht«, fuhr Bertha Haupt unterdessen fort. »Wir hätten der Frau auch gern geholfen. Aber auf einmal hat sich der Glatzkopf in unsere Richtung bewegt. Da haben wir es mit der Angst zu tun bekommen, sind gelaufen …«
    »… und wissen leider nicht, wie und von wem die Frau dann ermordet wurde«, schloss Luise Sedlak ab.
    »Was war mit dem anderen Mann?«, erkundigte sich Leopold.
    »Das hätten wir beinahe vergessen«, erinnerte sich Bertha Haupt. »Natürlich, der andere Mann. Der ist der Frau nachgelaufen und neuerlich zudringlich geworden, wie es scheint.«
    »Wenn wir geahnt hätten, welch furchtbares Ende die Sache nimmt, hätten wir vielleicht unseren ganzen Mut zusammengenommen und wären geblieben«, verteidigte sich Luise Sedlak.
    »Solche Dinge lassen sich nicht verhindern, Luise«, seufzte Bertha Haupt.
    »Wenn Sie Ihren ganzen Mut zusammennehmen und diese Aussage auf dem Kommissariat wiederholen, haben Sie der Gerechtigkeit schon einen großen Dienst erwiesen«, beschwichtigte Leopold die beiden und drückte ihnen seine Notizen in die Hand. »Ich habe extra groß

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