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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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und deutlich geschrieben«, meinte er. Dann versuchte er, die Informationen, die er soeben erhalten hatte, zu einem vernünftigen Ergebnis zusammenzufassen.
    Auf der einen Seite gab es diesen sexbesessenen Lüstling, der wohl auf eine Vergewaltigung Veronikas aus gewesen war. Wenn Veronika ihr Rendezvous mit Bernhard Klein noch immer nicht abgeschrieben gehabt hatte und um die Schule herumgelaufen war, anstatt nach Hause zu gehen, hätte er ihr ohne Weiteres wieder begegnen können. Hatte er sie dann, beim zweiten Versuch, umgebracht? Auf der anderen Seite war Franz Jäger derjenige, der sie zuletzt verfolgt hatte. Gekränkte Gefühle wegen der Ohrfeige? Die Lust, ihr jetzt etwas anzutun? Egal, er hatte dieselben Möglichkeiten wie der Glatzkopf gehabt.
    War es am Ende zu einem Zusammentreffen von beiden mit Veronika gekommen? Und noch etwas fiel Leopold ein: Von der Zeit her war es durchaus möglich, dass dieser Mario irgendwann mittendrin die Szene betreten hatte. Was hatte er gesehen? Oder hatte jemand ihn gesehen? Wer hatte überhaupt was gesehen? Eigentlich war es sehr wahrscheinlich, dass einer der drei einen anderen von ihnen bei der Tat beobachtet hatte. Aber niemand hatte den Mörder aufgehalten, und niemand hatte ihn bis jetzt verpfiffen. Sonst wäre der Fall gelöst, und Leopold hätte sicherlich davon erfahren.
    Warum aber war das so? Jeder der Beteiligten musste doch in Wahrheit froh sein, wenn er einem anderen die Schuld in die Schuhe schieben konnte. Hatte also niemand etwas gesehen und jeder ein schlechtes Gewissen? Unter Umständen war Veronika Plank von einem der drei außer Gefecht gesetzt worden, und der wirkliche Täter hatte erst dann zugeschlagen. Sie wird gegen die Stiegen geworfen oder gewürgt, bis sie bewusstlos ist, ehe der Mörder kommt und sein Werk vollendet. Möglich! Leopold musste in Erfahrung bringen, welche Verletzungen genau am Leichnam festgestellt worden waren.
    Derzeit kam er jedenfalls noch auf keinen grünen Zweig. Dafür wurde Agnes Windbichler bereits ungeduldig. »Bist du jetzt endlich fertig?«, rief sie ihm zu.
    »Ja, Tante, wir können fahren.«
    »Frau Heller hat mir alles erzählt. Ich habe gar nicht gewusst, dass das hier so eine wilde Gegend ist«, sagte sie kopfschüttelnd. »Sonst wäre ich vielleicht doch zu Hause geblieben. Na, und du bist natürlich mittendrin in der ganzen Mordsache.«
    »Liebe Tante, wenn so ein Verbrechen geschieht, muss man helfen, wo es geht. Das ist doch erste Bürgerpflicht«, ersuchte Leopold um Verständnis.
    »Ich fürchte, diese Bürgerpflicht wird dir in den nächsten Tagen wichtiger werden als ich, Leopold. Hab ich recht?«
    »Aber nein, Tante! Was glaubst du, was wir in den nächsten Tagen alles zusammen unternehmen werden: auf den Weihnachtsmarkt gehen, einen Christbaum kaufen, die Wohnung schön weihnachtlich herrichten. Nur arbeiten muss ich dazwischen halt ein bisschen.«
    »Na schön«, seufzte Agnes Windbichler. »Ich bin Kummer gewöhnt. Ich werde mir halt einmal deine Wohnung anschauen und mich häuslich einrichten, und dann möchte ich eine alte Freundin von mir besuchen. Aber ein bisschen Zeit solltest du dir für mich nehmen, wenn ich dich schon extra besuchen komme. Und jetzt bring mich bitte zu dir nach Hause.«
    Leopold fühlte schwere Zeiten auf sich zukommen. Er schnappte den Koffer der Tante und hielt ihr die Tür auf. Dabei merkte er gar nicht, dass Bertha Haupt und Luise Sedlak ihm liebevoll nachwinkten.
     

6
    Man kann sagen, dass es Thomas Korber ordentlich in seiner Junggesellenwohnung hatte. Nicht blitzsauber, aber ordentlich. Kleine, verzeihliche Schlampereien gab es immer wieder: Hefte, aufgeschlagene Bücher, Zeitungen etc., die zur pflichtbewussten Ausübung seiner Tätigkeit als Lehrer notwendig waren und sich mitunter tagelang auf seinem Schreibtisch anhäuften; Gläser, Flaschen und ein Aschenbecher als Zeugen einer durchwachten Nacht; Verstreutes, das noch keinen Platz in seinem kleinen Reich gefunden hatte; ein Stäubchen hier, ein Fleckchen dort. Aber nichts, was man als dramatisch bezeichnen konnte.
    Es war jedenfalls nicht zu vergleichen mit dem, was seine Augen erblickten, als er aus der Schule in sein Heim zurückkehrte. Das Schlafzimmer hatte so gut wie alles von seinem nüchternen Charme verloren. Es sah aus, als sei eine überdimensionale Tischbombe mit T-Shirts und Damenunterwäsche darin explodiert. Überall waren Kleidungsstücke verstreut: auf dem Bett, auf dem Boden, auf dem

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