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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Zunft, der am Nebenstand bereits ungeniert Feierabend zu machen schien, wenn auch noch in voller Arbeitskleidung.
    »Der ist nicht echt«, lachte Manuel. »Der ist eine ganz plumpe Fälschung. Willst du sehen?«
    Kevins Augen begannen zu leuchten. Erwartungsvoll blickte er seinen Bruder an.
    »Hallo, Weihnachtsmann!«, rief Manuel. »Ich muss dir etwas ins Ohr sagen.«
    »Was denn, mein Junge?«, säuselte der schon etwas punschselige, selbsternannte Santa Claus durch seinen weißen Bart.
    Manuel bedeutete ihm mit dem Zeigefinger, dass er sich zu ihm herunterbeugen solle. »Nun, mein Kind?«, fragte der Weihnachtsmann forschend, begab sich dabei auf Augenhöhe mit Manuel und breitete seine Alkoholfahne über dessen Gesicht aus. Wie zur Strafe riss der Knabe an dem mittlerweile nur mehr schlampig befestigten Bart des Weihnachtsmannes, der sich auch partout gleich vom durch den Punsch geröteten Gesicht löste. Patsch, jetzt stand er ganz schön nackt da, der Weihnachtsmann.
    Kevin kriegte sich vor lauter Lachen gar nicht mehr ein. »Du bist überhaupt kein Weihnachtsmann«, jauchzte er. »Du bist ein ganz blöder Blödian. Ein ganz blöder Blödian bist du.«
    »Manuel, Kevin, sofort zu mir! Auf der Stelle!«, schrie der Vater der Buben, dem nun ganz schön mulmig zumute war.
    Der gerupfte Santa Claus erfasste am langsamsten, was da mit ihm geschehen war. »Warte nur, ich … ich hau dir eine runter, dass dir Hören und Sehen vergeht. Bleib gefälligst stehen«, schimpfte er dann aber lautstark dem sich eilig entfernenden Manuel nach.
    »Sie werden niemandem eine runterhauen, schon gar nicht einem unschuldigen Kind«, mischte sich Leopold jetzt ein und stand auch schon vor dem bartlosen Weihnachtsmann.
    »Unschuldig? Dass ich nicht lache! Der Lausbub hat mir frecherweise den Bart abgerissen«, konnte sich der jetzt gar nicht beruhigen.
    Leopolds Augen starrten einen Augenblick gebannt auf das Gesicht des Fremden. »Das war auch vollkommen richtig«, konstatierte er dann. »Gestatten Sie, dass ich Ihnen noch eine Kleinigkeit von oben entferne?« Und mit einem schnellen Griff zog er die Zipfelmütze vom Kopf seines Gegenübers.
    Welch Kahlheit tat sich da zwischen den spärlich verbliebenen künstlichen Haarteilen auf! Die Verkleidung war nun endgültig abmontiert. Wer da vor Leopold stand, das war der Glatzkopf, der Spanner, der Voyeur, den die Polizei und er so dringend gesucht hatten.
    »Kennen wir uns nicht von irgendwo?«, fragte Leopold, so unschuldig er konnte.
    Wieder begriff der Spanner nur langsam, aber er begriff. Gefahr war im Verzug, höchste Gefahr! Er schüttete den Becher mit dem restlichen Punsch in Richtung Leopold. Der duckte sich aber instinktiv, sodass die Ladung den sich mit der Absicht, das Verhalten seiner Kinder zu entschuldigen, vorsichtig nähernden Vater mitten ins Gesicht traf. Dann versuchte er wegzulaufen. Er entschloss sich, die Flucht nach vorn durchs Gewühl zu wagen. Agnes Windbichler bekam dabei nur einen unsanften Rempler ab, eine Frau und ein Mann, die ungünstiger standen, landeten auf dem Boden.
    »Haltet den Dieb!«, rief Leopold, da ihm im Augenblick nichts Besseres einfiel, und nahm die Verfolgung auf, der punschgebadete Vater hinterher. »Lass dir das nicht gefallen, Papa«, wurde er von Manuel angefeuert, während Kevin von der Demaskierung noch immer so begeistert war, dass er freudestrahlend auf und nieder hüpfte und dabei »Blöder Blödian, blöder Blödian« brüllte.
    Der Weihnachtsmann rannte, aber er kam mit seinen Stiefeln und müden Beinen nicht recht voran. Schon vermeinte er, den Atem seiner Jäger im Genick zu spüren. Er musste sich etwas einfallen lassen, um wieder an Boden zu gewinnen. Der Stand mit den Badesalzen, Seifen und Ölen kam ihm da gerade recht. Lautlos glitten, von der Hand des entlarvten Nikolaus geschubst, etliche Seifenstücke in den Schnee. Dort zogen sie kurz eine saubere Spur, ehe sie liegen blieben und für alle zum schlüpfrigen Hindernis wurden. Jetzt hieß es aufpassen, und als Erster begab sich gleich der punschbekleckerte Vater auf eine unfreiwillige Rutschpartie.
    Aber keiner ließ sich wirklich dadurch abhalten, im Gegenteil: Leopolds Rufe und Gesten lockten schnell weitere Verfolger an. Ein wildgewordener Weihnachtsmann war auf der Flucht, das konnte man sich nicht entgehen lassen. In der Menge war man stark, und schön warm wurde einem auch dabei. »Ihm nach!«, schrie Leopold.
    Vorn lag der größere Platz, der Franz-Jonas-Platz,

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