Philosophenpunsch
mit dem Bahnhof, den Straßenbahn- und Bushaltestellen, weiteren Christkindlmarktständen und noch mehr Menschen. Der Spanner konnte nur hoffen, dass ihm das bunte Treiben dort die Möglichkeit bieten würde, irgendwo unterzutauchen. Aber wie konnte er die ihn hetzende Meute auf Distanz halten? Er benötigte eine Waffe.
Der Zufall kam ihm in Form eines etwas zu leichtfertig getragenen Christbaums zu Hilfe. Mit einem kurzen, kräftigen Ruck entriss er den Baum einem unschuldig und ahnungslos dahinschlendernden Pärchen. Er richtete das Kreuz gegen seine Verfolger. Traut ihr euch, oder traut ihr euch nicht? Nur heran, wer mag. Zieht blank, wenn ihr könnt!
Der Spanner fuchtelte wie wild mit dem Baum herum, versuchte, sich eine Art Bresche zu schlagen. En Garde, Attaque, Touché! Sehr elegant sah es nicht aus, was er da tat, aber es wirkte. Die Kontrahenten wichen zurück. Für einen Augenblick verschaffte er sich Luft. Er durfte jetzt allerdings keine Zeit mehr verlieren. Die Meute kurz neutralisieren, die verräterische rote Jacke abstreifen und auf hopp oder tropp hinein ins Gewühl auf der anderen Seite, das war die einzige Chance. Wie einen mächtigen Speer warf er den Christbaum auf seine Feinde. Dann drehte er sich um und rannte, rannte, rannte. Er kam nicht weit. Es war der feine Unterschied zwischen Können und Wollen. Er prallte auf etwas Festes, Unnachgiebiges, das ihn mit beiden Händen zu packen versuchte, ein Etwas namens Bollek. Ein kurzes Handgemenge entstand, in dessen Verlauf beide Kämpfer zu Boden fielen. Ein Fall mit Folgen: Zuerst vernahm man das Splittern von Glas, dann einen lauten Aufschrei. »Warte nur, du Schweinehund, dir werd ich’s zeigen«, brüllte Bollek wutentbrannt und zog sein Gegenüber nach oben, nur um ihm dann zwei kräftige Schläge ins Gesicht zu verpassen. Der Weihnachtsmann wimmerte. »Du bist ein Schweinehund und ein blöder Blödian«, trällerte Kevin vergnügt und trat ihm als Draufgabe gegen den Knöchel.
Auch Leopold war inzwischen herbeigeeilt. »Danke, Herr Inspektor, aber lassen S’ ihn doch bitte ganz«, flehte er. »Den brauchen wir noch.«
Bollek blinzelte ungläubig. »Sie schon wieder, Herr Hofer – verzeihen Sie, Herr W. Hofer – , das hätte ich mir ja denken können. Seien Sie bitte so gut und mischen sich nicht in eine Amtshandlung ein. Ich bin gerade dabei, einen schlecht verkleideten Amokläufer, Vandalen und Berserker dingfest zu machen. Da kann ich Sie wirklich nicht brauchen.«
»Denken Sie bitte nach, was Sie tun, und hauen Sie nicht mehr hin«, mahnte Leopold. »Der Kampf, in dessen Verlauf Sie sich gewehrt haben, ist ja offensichtlich vorbei. Und im Dienst sind Sie derzeit, glaube ich, auch nicht.«
»Ein Polizist ist immer im Dienst«, erklärte Bollek und schüttelte sein Gegenüber dabei ungerührt weiter.
»Außerdem ist das kein gewöhnlicher Unruhestifter«, fuhr Leopold fort. »Was glauben Sie, warum der so durchgedreht hat? Weil ich ihn wiedererkannt habe! Das ist der Kaffeehausgast von vorgestern Abend, der später Veronika Plank angegriffen hat und den wir schon die ganze Zeit suchen.«
»Was, so einer bist du? Einer, der auf Frauen und kleine Mädchen losgeht?« Bollek maß den Spanner kurz von oben bis unten. »Na, wenn man so aussieht, muss man ja Gewalt anwenden, damit die Frauen mit einem schlafen. Aber jetzt wird dich die gerechte Strafe ereilen. Warte, Bürschchen!«
»Nicht!« Leopold hob beschwörend die Hände, als er sah, wie Bollek erneut zu einem Schlag ausholte. Bollek zögerte. Jetzt bemerkte Leopold auch Bolleks ganzes Unglück, das offensichtlich den Grund für seinen Rückfall in die Unbeherrschtheit darstellte. Aus seiner linken Manteltasche ragte ein Teil eines ziemlich stark zerdrückten Pakets heraus, gleichzeitig hatte sich dort ein dunkler, feuchter Fleck gebildet. Eine betörende, keineswegs billige Fragranz lag in der Luft. Bollek umwehte der zarte Hauch aufreizender Weiblichkeit, der Duft eines exquisiten Parfums, das wohl als Weihnachtsgeschenk für seine Nora gedacht gewesen, aber beim massiven Zusammenstoß mit dem fliehenden Weihnachtsmann zu Bruch gegangen war.
Armer Bollek! Leopold konnte ein gewisses Mitgefühl mit dem Inspektor nicht abstreiten. Gleichzeitig freute es ihn, dass Bollek nun brav seine Hand heruntergab und von weiteren Insultierungen absah. Offenbar hatte Leopold das Ärgste verhindern können.
Was er allerdings nicht verhindern konnte, war, dass Agnes Windbichler ziemlich
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