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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Bagatelle, wirklich. Ein undefinierbares kleines Etwas baumelte vor seiner Lade, jenem Heiligtum, in dem er alles aufbewahrte, was ihm in irgendeiner Hinsicht hilfreich und nützlich für den täglichen Gebrauch schien. Man musste es halt ein bisserl zur Seite schieben, um die Lade zu öffnen. Umständlich, zugegeben, aber wenn’s weiter nichts war.
    »Meinen Sie das Dings dort vor meiner Lade?«, fragte Leopold vorsichtig.
    »Ich meine vor allem den Baum, zu dem das Dings, oder sagen wir besser Zweigerl, gehört«, verbesserte ihn Frau Heller. »Unseren heurigen Christbaum!«
    Christbaum? Tatsächlich! In der Ecke links neben der Eingangstür stand, wie jedes Jahr, die Weihnachtstanne der Familie Heller, deren Spitze bis knapp unter den Plafond ragte. Obwohl noch ungeschmückt, war der Baum eigentlich nicht zu übersehen. Leopold kam sich ganz klein und erbärmlich vor. Wie konnte es passieren, dass er dieses Trumm nicht bemerkt hatte? »Verzeihen Sie, Frau Chefin, ich …«, stotterte er.
    »Leopold, es ist unfassbar«, bemerkte Frau Heller spitz. »Es sind nur noch zwei Tage bis Weihnachten, und Sie schauen an unserem Christbaum, der die Herzen der Menschen bis Maria Lichtmess erfreuen soll, vorbei, als ob er nicht da wäre.«
    »Wo der Baum doch aus dem Waldviertel kommt, Leopold«, betonte Agnes Windbichler.
    »Ich wollte Ihrer Tante nur beweisen, wie sehr Ihre perversen kriminalistischen Neigungen Ihr Hirn blockieren, sodass Sie gar keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen können«, erklärte Frau Heller. »Ich bin das leider schon gewohnt, aber Ihre Tante ist ganz schön arm dran mit Ihnen.«
    »Herr und Frau Heller putzen heute gemeinsam den Baum auf, und wir haben noch nicht einmal einen«, kam es in verzweifeltem Ton von der Tante. »Vom Christbaumschmuck möchte ich gar nicht reden, und die Bäckerei, die ich mitnehmen darf, hat großteils die Frau Heller gemacht. Mit dir kann man sich nicht auf Weihnachten freuen, nur Verbrecher jagen und dabei blaue Flecken einkassieren.«
    »Tante, von nun an gibt’s nur mehr Weihnachten«, gelobte Leopold. »Heute Weihnachten, morgen Weihnachten, und zu Weihnachten erst recht Weihnachten. Ich schwöre es hoch und heilig.«
    »Wenn ich dir nur glauben könnte«, seufzte Agnes Windbichler.
    »Du kannst, Tante, du kannst«, beruhigte Leopold sie. »Von nun an bin ich für dich da und für sonst gar nichts.« Sein Handy begann währenddessen ungeduldig zu läuten. Er zog es aus der Jackentasche. »Hallo?«, säuselte er hinein.
    »Ich bin’s! Kann ich Sie heute noch treffen?«
    Leopold erkannte die nervöse Stimme sofort. »Schweda?«, fragte er.
    »Ja, zum Teufel! Sie haben mir doch Ihre Nummer gegeben. Also! Wo können wir ungestört sprechen?«
    »Hier im Kaffeehaus. Ich bin noch da.«
    »Gut! In zehn Minuten!« Dann klickte es, und das Gespräch war beendet.
    Leopold blickte in zwei unnachsichtige weibliche Augenpaare. »Es kommt noch ein Herr vorbei«, erwähnte er so beiläufig wie möglich. »Er wird mir vermutlich einige wichtige Dinge erzählen. Seien wir doch ehrlich: Können wir uns auf das Weihnachtsfest freuen, solange ein Mörder frei herumläuft? Sind wir es nicht den Angehörigen des Opfers schuldig, dass er möglichst schnell gefasst wird? Und sollten sich nicht alle Unschuldigen über die Feiertage frei von Verdacht fühlen? Ganz nebenbei bemerkt: Ich habe das Gefühl, dass wir von dem Herrn heute noch 19,20 Euro bekommen werden, Frau Chefin.«
     
    *
     
    Ein Geräusch schreckte Julia Leichtfried auf. Thomas Korber, der auf der Couch im Wohnzimmer seinen Rausch ausschlief, so gut es ging, war wohl erwacht. Sie fand ihn in der Küche vor dem offenen Eiskasten. Er kaute nicht gerade sehr appetitlich an einem Stück Pizza vom Vortag herum.
    »Na, sind der Herr ausgeschlafen?«, erkundigte sie sich. Der Ton war vorwurfsvoll, enttäuscht und verärgert. »Leider ist so gut wie gar nichts Essbares mehr im Haus. Du warst ja nicht einkaufen. Nur saufen!«
    »So eine Pizza ist jetzt gerade das Richtige«, äußerte Korber mampfend.
    »Und an mich, wie ich mich ernähre, denkst du wohl überhaupt nicht. Du hast ein Glück, dass ich derzeit keinen allzu großen Appetit entwickle. Übermorgen ist Weihnachten, da haben wir auch noch nichts. Wie stellst du dir eigentlich vor, dass es weitergehen soll?«
    »Keine Sorge, es wird sich schon alles finden«, beschwichtigte Korber sie mit ein paar ausladenden Handbewegungen. »Morgen gehen wir erst einmal ganz groß

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