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Philosophenpunsch

Philosophenpunsch

Titel: Philosophenpunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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Agnes warf Leopold ab und zu einen tadelnden Blick zu und trommelte dazu mit den Fingern der linken Hand im Takt auf die Tischplatte. Leopold blickte nervös auf seine Uhr. »Es ist gleich so weit, Tante«, flötete er. »Du kannst dir denken, wie unangenehm mir das ist, aber bei einem Mord muss man eben allzeit Gewehr bei Fuß stehen.«
    Tante Agnes wollte etwas erwidern, aber da ging die Tür auf, und Mario Schweda trat ein. Seine Augen durchmaßen die dunkle Leere hinter den Billardbrettern. »Ist noch geöffnet?«, fragte er zweifelnd.
    »Natürlich haben wir noch offen«, schnauzte Leopold ihn an. »Sonst wäre ja die Tür zugesperrt. Deshalb darf ich Sie auch bitten, eine Bestellung bei mir aufzugeben, ehe wir zur Sache kommen.«
    »Wie bitte?«
    »Kleiner Brauner, großer Brauner, Melange, Cappuccino? Bier oder Wein? Groß oder klein? Weiß oder rot? Oder eine Flasche Mineral gefällig? Mit oder ohne? Cola, Fanta, Almdudler? Apfelsaft pur oder gespritzt? Schwarztee, Kräutertee, Früchtetee? Oder vielleicht doch lieber eine heiße Schokolade?«, zählte Leopold unbarmherzig auf.
    »Also dann meinetwegen ein kleines Bier«, brummte Schweda mürrisch. »Was ich Ihnen zu sagen habe, ist allerdings nicht für die Allgemeinheit bestimmt«, betonte er mit einem ängstlichen Seitenblick auf die übrigen Anwesenden. »Können wir irgendwo ungestört reden?«
    Leopold deutete auf den abgedunkelten Bereich bei den Billardbrettern. Er hatte schon mittags als Ausnüchterungszelle herhalten müssen und kam nun auch als Beichtstuhl nicht ungelegen. »Nun?«, fragte Leopold neugierig, sobald sein Gast sich gesetzt hatte.
    »Ich muss Ihnen etwas gestehen«, begann Schweda. »Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, aber ich war dort, am Tatort. Ich habe sie da liegen gesehen. Sie war schon tot.«
    »Und warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«, forschte Leopold.
    »Ich habe ja gewusst, Sie verstehen mich nicht!« Schweda war noch fahriger und unruhiger als sonst. Er wusste gar nicht, was er mit seinen Händen machen sollte. »Ich hatte doch eine Wut! Ich wollte mein Geld wiederhaben. Ich habe zunächst gar nicht realisiert, dass sie nicht mehr lebt. Sie ist reglos dagelegen, das habe ich ausgenützt. Ich habe in ihre Hosentasche gegriffen und die Scheine herausgenommen, die sie mir geklaut hat. Das war mein gutes Recht! Erst dann habe ich gesehen, was los ist, und eine mordsmäßige Panik bekommen.«
    Leopold erheiterte der Ausdruck ›mordsmäßig‹. »Sie sind einfach weggelaufen?«, wollte er wissen.
    Schweda nickte jetzt sehr, sehr schnell, wie ein Kind, das will, dass man seiner Erzählung Glauben schenkt.
    »Wie viel Geld haben Sie denn der Leiche geklaut?«
    »50 oder 60 Euro, glaube ich. Gezählt habe ich es nicht.«
    »Haben Sie irgendjemanden in der Nähe gesehen?«, bohrte Leopold weiter.
    »Nein, das heißt, ja. Ich glaube, da war noch jemand, aber …«
    »Mann oder Frau?«
    »Ich weiß nicht, mir ist plötzlich ganz schwarz vor den Augen geworden. Ich habe begriffen, was los war. Mir hat vor der Toten gegraust und davor, dass ich sie berührt hatte. Ich wollte einfach weg, verstehen Sie? Weg!«
    »War irgendein Auto da mit angelassenem Motor oder aufgedrehten Scheinwerfern?«
    »Kann sein, ich habe jedenfalls nicht darauf geachtet. Das ist doch nichts Besonderes, wenn um diese Zeit ein Auto mit aufgedrehten Scheinwerfern fährt, oder schon?«
    Leopold machte eine wegwerfende Handbewegung. Dieser Schweda war doch wirklich zu nichts zu gebrauchen. Ein Hirn wie ein Sieb! Nicht fähig, auch nur einen exakten Hinweis zu geben oder eine verdächtige Person in der Nähe des Tatorts zu nennen! Durchaus möglich, dass er Veronika Plank getötet und es gleich nachher wieder vergessen hatte.
    »Sie werden doch nichts der Polizei verraten? Das bleibt doch alles unter uns?«, flehte Mario Schweda unterdessen. Er bot ein Bild des Jammers.
    »Ich werde schweigen wie ein Grab«, versprach Leopold. »Obwohl ich zu bedenken gebe, dass es sehr naiv wäre zu glauben, dass die Polizei Sie nicht verdächtigt. Wie gesagt: Zu Ihnen ins Gesicht sind die Beamten freundlich, dabei haben sie schon längst ein Auge auf Sie geworfen. Außerdem bekommen Sie langsam wirklich ein schlechtes Gewissen. Also würde ich es erleichtern und den Kieberern reinen Wein einschenken. Und nicht nur über Ihr unbeherrschtes Rendezvous mit einer Leiche. Auch in der anderen Sache wäre es hoch an der Zeit. Wenn die erst einmal Ihren Freund Jochen

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