Phobia: Thriller (German Edition)
zusammenzureißen.
»Was wollen Sie?« Ihre Stimme zitterte. »Geld? Wir haben nicht viel Geld im Hause.«
»Möchtest du auch ein Sandwich?«
Er öffnete die Butterdose und bestrich die Brotscheiben. Sarah starrte auf seine Hände, die ebenso narbig wie sein Gesicht waren, und überlegte fieberhaft, was sie nur tun sollte.
»Bitte«, flüsterte sie, »gehen Sie wieder.«
Er hob den Kopf und sah sie an. »Ich habe dir schon lange keine Blumen mehr geschenkt. Das tut mir leid. Überhaupt tut mir vieles leid. Ich habe mir kaum noch Zeit für euch genommen und immer nur an die Arbeit gedacht. Aber das soll sich ab sofort ändern.«
Sarah ballte die Hände zu Fäusten und versuchte verzweifelt, ihre Gedanken zu ordnen, die wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm durch ihren Kopf flatterten.
Nein, dieser Mann würde nicht auf ihr Flehen und Betteln eingehen. Er würde das Haus nicht verlassen, ganz gleich, was sie ihm dafür anbot.
Sie stand einem Verrückten gegenüber – einem Verrückten, der Stephens Kleider trug, auch wenn sie ihm viel zu klein waren, und der sich gerade Buttersandwiches mit ihrem schärfsten Küchenmesser strich.
»Wo ist mein Mann? Warum tragen Sie seine Sachen? Was haben Sie ihm angetan?«
»Ich kann verstehen, dass du mir das nicht glauben wirst«, sagte er und teilte die Brotscheiben in Dreieckshälften, »aber ich bin fest entschlossen, mich ab sofort zu ändern. Das bin ich Harvey und dir schuldig.«
Sarah fuhr sich mit der trockenen Zunge über die Lippen.
Er hält sich für Stephen , dachte sie. Zumindest möchte er, dass ich das glaube. Ich darf ihn auf keinen Fall reizen. Er hat das Messer, und über uns schläft Harvey .
Sie beschloss, auf sein Spiel einzugehen, um Zeit zu schinden. Zeit, um sich klar zu werden, was sie tun sollte.
»Die … Mortadella haben wir aufgegessen«, sagte sie und rang bei jedem Wort um Beherrschung. »Aber es ist noch Truthahn übrig. Und Tiramisu. Das magst du doch so gern. Es ist von unserem Lieblingsitaliener.«
Nun legte er die Stirn in Falten, was sein maskenhaftes Narbengesicht noch hässlicher und unechter wirken ließ.
»Von … Vittorio?« Er klang verwundert und ging nun zum ersten Mal in dieser höchst merkwürdigen Unterhaltung auf sie ein. »Der hat doch schon seit fast einem Jahr geschlossen.«
Sarah fuhr zusammen. Woher wusste er das?
»Ich … ich meinte, es ist fast so gut wie das von Vittorio«, sagte sie und rang sich ein Lächeln ab.
»Na, dann sollte ich es wohl probieren.«
Er lächelte zurück und zwinkerte ihr zu, dann sah er wieder in den Kühlschrank.
Sarah schaute auf das Messer. Sie könnte die Hand jetzt packen, überlegte sie. Die Gelegenheit wäre günstig. Aber dann würde er sich wehren, und die Situation würde eskalieren.
»Mummy?«
Harveys Stimme vom oberen Ende der Treppe ließ sie zusammenfahren.
O Gott! Er darf auf keinen Fall herunterkommen!
Eilig trat sie einen Schritt auf den Flur hinaus, ohne dabei den Fremden aus den Augen zu lassen, der sich nun umdrehte und an ihr vorbei zur Treppe sah.
»Geh sofort zurück ins Bett, Schatz«, rief sie Harvey zu. »Ich bin gleich wieder bei dir.«
»Was machst du da unten?« Harvey klang verschlafen, aber wie immer war er neugierig.
»Ich trinke nur schnell einen Schluck Wasser, und dann komme ich wieder ins Bett. Leg dich schon mal hin.«
Für einen Moment war es still im Gang, und Sarah dachte voller Panik, was wohl geschehen würde, wenn Harvey nicht auf sie hörte und die Treppe herunterkäme.
Sie hielt unweigerlich den Atem an, und ihre Fingernägel gruben sich immer fester in ihre Handflächen.
Bitte, Schatz , flehte sie in Gedanken. Geh zurück! Geh bitte zurück!
»Okay, Mummy, aber komm bald, ja?«
Als gleich darauf seine patschenden nackten Füße zu hören waren und die Schlafzimmertür geschlossen wurde, fiel ihr ein Felsbrocken vom Herzen.
Der Unbekannte hatte ihre Unterhaltung reglos verfolgt, die Schüssel mit dem Tiramisu in der einen Hand, das Messer in der anderen.
»Träumt er immer noch diese wirren Sachen?«
Sarah hatte keine Ahnung, woher er all diese Dinge wusste, aber das war jetzt auch nicht wichtig. Sie musste Hilfe rufen, ohne Harvey dabei in Gefahr zu bringen.
»Ja.« Sie nickte. »Er hatte vorhin einen Albtraum. Ich sehe wohl besser mal nach ihm.«
»Das ist meine Schuld«, entgegnete der Unbekannte, und für einen Augenblick kam Sarah die abwegige Hoffnung, er habe soeben eingesehen, dass er sie und ihren Sohn
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