Phobia: Thriller (German Edition)
wären wir jetzt so weit.« Der Professor deutete auf eine große Schiebetür. »Folgen Sie mir bitte nach nebenan.«
Er führte Mark in einen großen, mit dunklem Holz getäfelten Raum, der halb Bibliothek, halb Wohnzimmer war und in dem der Geruch nach Leder und Holzpolitur vorherrschte.
Dort stellte er die Tasse auf einem kleinen Couchtisch ab, woraufhin er Mark eine Fernbedienung reichte.
»Was Sie erfahren sollen, wird Ihnen George selbst mitteilen«, sagte er und deutete zu einem großen Flachbildschirm, der in das gegenüberliegende Regal eingepasst war. »Für mich ist es jetzt an der Zeit, mich von Ihnen zu verabschieden. Mein Flug geht morgen sehr früh, und ich muss noch ein paar Dinge packen. Wenn Sie hier fertig sind, finden Sie selbst hinaus, denke ich?«
Mark war erstaunt. Zwar war Lionel Somerville in zwischenmenschlichen Dingen schon immer alles andere als konventionell gewesen, aber dieses merkwürdige Verhalten verblüffte ihn dennoch.
»Sie wollen also wirklich nicht zu seiner Beerdigung kommen?«
Somerville nickte bedächtig. »Ja, ganz recht. Ich habe noch nie viel auf rührende Reden und feierliche Zeremonien gegeben, selbst wenn sie ehrlich gemeint sind. Für mich ist George noch immer lebendig, hier drin und hier.« Er deutete zuerst auf seinen Kopf, dann auf seine Brust. »Können Sie das verstehen?«
»O ja, ich glaube schon.«
»Das dachte ich mir.« Nun erkannte Mark zum ersten Mal die tiefe Trauer in Somervilles Gesicht. Es war, als ob der Professor eine Maske abgenommen hätte. »Sie kennen diese innere Leere ebenfalls, nicht wahr?«
Diesmal konnte Mark nur nicken. Es war schwer, dem Blick seines Gegenübers standzuhalten, denn irgendwie war es für ihn, als würde er in einen Spiegel sehen.
»Wie war ihr Name?«, fragte Somerville.
Mark musste schlucken, ehe er antworten konnte.
»Tanja.«
Wie jedes Mal, wenn er ihren Namen aussprach, kam die Erinnerung zurück und stach wie eine glühende Nadel in seine Brust. Dann schrillte eine hässliche Stimme in seinem Kopf.
Hey, Doktor!
Er ballte die Fäuste, und es kostete ihn alle Kraft, sich sein Entsetzen nicht anmerken zu lassen.
»Tanja«, wiederholte der Professor. »Ein schöner Name.«
Er ging zur Tür und sah sich noch einmal um. »Auf Wiedersehen, Mark. Das hoffe ich zumindest sehr.«
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach Mark. »Alles Gute für Sie, Lionel.«
»Dito«, sagte Somerville und machte eine Kopfbewegung zu dem Bildschirm. »Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich entscheiden werden.«
»Entscheiden?«
Somerville grinste nur wieder auf seine geheimnisvolle Weise.
»Das wird Ihnen der alte Dickschädel schon erklären.«
Dann schloss er die Schiebetür, und Mark war allein.
26.
Seufzend ließ Mark sich auf die dunkle Ledercouch sinken und betrachtete den schwarzen Bildschirm.
Eine Videobotschaft, die mein Leben verändern wird , dachte er.
Ja, diese theatralische Inszenierung passte zu seinem Doktorvater, ebenso wie sein hochdramatischer Abgang aus dieser Welt.
George Otis war seit jeher ein leidenschaftlicher Philosoph und Theaterliebhaber gewesen. Als Junge hatte er davon geträumt, eines Tages am Royal Shakespeare Theatre den Macbeth zu geben, und hätte er als Schauspieler seinen Lebensunterhalt bestreiten können, wäre er wahrscheinlich nie Psychiater geworden. Das jedenfalls hatte er Mark einmal anvertraut, und Mark hatte keinen Moment daran gezweifelt.
Er nippte an seinem Espresso, dann drückte er die Play-Taste der Fernbedienung. Mit leisem Summen ging der DVD -Spieler in Betrieb, und der Bildschirm erwachte zum Leben.
Gleich darauf erschien ein überlebensgroßer George Otis vor ihm, und Mark erschrak über sein Aussehen.
Sie waren sich zuletzt vor knapp drei Jahren begegnet, aber auf dem Video sah Otis aus, als sei weit mehr Zeit seither vergangen.
Der Krebs hatte ihn ausgemergelt und tiefe Furchen in das markante Gesicht gegraben. Sein dunkles Haar war derart schütter geworden, dass die weiße Kopfhaut durchschimmerte, und die einstmals so lebendigen Augen hatten ihren Glanz verloren.
Der George Otis auf diesem Video war nur noch ein Schatten seiner selbst.
»Hallo, Mark«, sagte er, dann beugte er sich nach vorn und nestelte an der Kamera herum, ehe er sich wieder zurücklehnte.
Mark sah kurz auf die Couch. Otis hatte genau an der Stelle gesessen, an der er jetzt saß.
»Tut mir leid«, fuhr der Professor fort, »aber mit diesen technischen Dingen hatte ich noch nie viel
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