Phobia: Thriller (German Edition)
gesprochen, und Mark fragte sich, ob er den vier anderen dasselbe Angebot gemacht hatte.
Höchstwahrscheinlich.
Wie sie sich wohl entschieden hatten?
Mark blieb stehen und betrachtete noch einmal eindringlich die Schachtel.
Otis bot ihm eine Hilfestellung. War es nicht das, worauf er gehofft hatte? Dass ihm jemand half, weil er sich selbst nicht mehr zu helfen wusste?
Nach Tanjas Tod war ihm geraten worden, eine Therapie zu machen, aber er hatte sich geweigert. Ausgerechnet er, der Traumaexperte, hatte den Glauben an die Wirksamkeit seiner eigenen Methoden verloren. Der Schmerz, das Entsetzen und seine Angst saßen viel zu tief.
Was sprach also dagegen, die Schachtel zu öffnen, wenn sie ihm einen möglichen Ausweg, eine neue Chance bot?
Somerville hatte recht gehabt, Otis war schon immer ein strategisch denkender Mensch gewesen, der nichts dem Zufall überließ. Er war eben durch und durch Wissenschaftler gewesen. Und dass er Mark nun dieses Angebot unterbreitete, bedeutete letztlich nichts anderes, als dass er wirklich davon überzeugt war, dass er Mark helfen konnte.
Trotzdem sträubte sich etwas in ihm. Vielleicht war es auch nur die Tatsache, sich selbst eingestehen zu müssen, dass er ohne fremde Hilfe nicht weiterkam. Dass andernfalls die Stimmen der Vergangenheit nie in seinem Kopf verstummen würden.
Vor allem diese hässliche, schrille Stimme.
Hey, Doktor!
»Scheiß drauf«, murmelte Mark, dann wandte er sich um, setzte sich wieder auf die Couch und griff nach der Schachtel.
Sie war leicht, der Deckel ließ sich problemlos abnehmen, dennoch kostete es ihn einen letzten Rest Überwindung.
Er legte den Deckel beiseite und atmete tief durch. Dann sah er auf Otis’ Geschenk und hob verdutzt die Brauen. Er wusste nicht, was er in der Schachtel vorzufinden erwartet hatte, aber sicherlich nicht das, was er nun sah.
29.
Entnervt rieb er sich die Stirn. Er hatte höllische Kopfschmerzen. Sie fühlten sich an, als würde sein Gehirn anschwellen und mit jedem Pulsschlag ein Stück weiter gegen seinen Schädel gequetscht werden.
Bislang zeigten die Schmerztabletten noch keine Wirkung.
Er gab einer zu hohen Dosis Glutamat in den Nudeln von vorhin die Schuld. Oder dem Kaffee, an den er sich immer noch nicht gewöhnt hatte. Oder dem permanenten Stress, seit er beschlossen hatte, Stephen Bridgewater zu sein.
Aber insgeheim wusste er es besser. Er wollte es nur nicht wahrhaben.
Zu früh. Es ist noch zu früh dafür!
Er stand auf, ging zum Waschbecken und warf sich kaltes Wasser ins Gesicht. Tatsächlich wurde das Pochen nach ein paar Minuten etwas schwächer. Schwach genug, dass er seine Arbeit fortsetzen konnte.
Er trocknete sich sorgfältig ab, setzte sich wieder an den Küchentisch und machte sich daran, seinen Brief zu Ende zu schreiben. Aber seine Hände zitterten unkon trollierbar, und es fiel ihm unendlich schwer, sich zu kon zentrieren.
Zu allem Übel drang auch noch laute Jazzmusik von nebenan durch die dünnen Wände. Eine Bigband spielte irgendetwas aus den Dreißigern, vielleicht »Have a Heart«. Oder »Midnight, the Stars and You«.
Er hatte sich diese Stücke schon unendlich oft anhören müssen. Die gute alte Mrs. Livingstone hatte eine Schwäche für Ray Noble, und ihre Schwerhörigkeit konnte eine verdammte Zumutung sein.
Vielleicht dachte sie aber auch, dass ihr Untermieter wieder einmal in der Klinik sei und sie das Haus für sich allein hatte.
Sollte sie in diesem Glauben bleiben. Wenn ihre Aufmerksamkeit Ray Noble und seinen Jungs galt, steckte sie ihre Nase wenigstens nicht in seine Angelegenheiten.
Er schloss die Augen, bemühte sich um innere Ruhe, und als das Zittern seiner Hände endlich etwas nachließ, schrieb er die letzten Zeilen und legte schließlich den Stift beiseite.
Dann las er noch einmal das Geschriebene und nickte am Ende zufrieden.
Er hatte lange überlegt, was er schreiben würde. Erst, als der genaue Wortlaut in seinem Kopf feststand, hatte er mit dem Schreiben begonnen. Denn der Brief sollte zusammenhängend geschrieben wirken.
Wie aus einem Guss. So sagt man doch, oder?
Wieder fasste er sich an die Stirn, presste die Fäuste dagegen.
Diese verfluchten Kopfschmerzen!
Ja, es hieß »wie aus einem Guss«, und falls doch nicht, war es ihm auch egal. Wichtig war nur, dass der Leser dieses Briefes nicht den Eindruck bekam, diese Zeilen stammten von einem Kranken, der immer wieder hatte pausieren müssen. Einem geistig Verwirrten, der nicht wusste, was
Weitere Kostenlose Bücher