Phön - Tränen der Götter (Die Phön Saga) (German Edition)
nicht baufällig. So, als hätte der Architekt sie in genau dieser Form entworfen. In der Mitte der Zitadelle erstreckte sich, über dem riesigen Eingangstor und aus dem gewaltigen Oberbau heraus, eine Art Kirchturm. Verziert mit tausenden von Ornamenten und etlichen hellen Fenstern, wirkte er absonderlich und nicht von dieser Welt. Er war so hoch, dass Picardo seine Spitze kaum erkennen konnte. Anstatt einer Kirchturmuhr war jedoch eine runde Scheibe zu sehen, die teilweise weiß schimmerte und teils tiefschwarz fluoreszierte.
»Das ist das Elementum!«, erklärte Cora, die sich mittlerweile neben Picardo gestellt hatte und die riesige, wunderschöne Tempelstätte ihrer Vorfahren beäugte. Sie war lange Zeit nicht hier gewesen. Etwa dreizehn Menschenjahre und länger noch für Cora. Aber anders als Picardo, konnte sie sich noch daran erinnern, wie es gewesen war als dieser Platz noch von Leben erfüllt war. Als die Thohawk noch ihren täglichen Beschäftigungen nachgingen, in den Bibliotheken stöberten, Handel trieben...
»Elementum?« Picardo riss sie aus ihren Gedanken.
»Ja, es zeigt die Balance zwischen den Elementen«, antwortete sie. »Siehst du?« Sie zeigte in die Ferne auf das Elementum. »Momentan sind die Elemente ausgeglichen. Wenn jedoch jemals das weiße oder das schwarze Licht überwiegen sollte…« Sie stockte kurz und seufzte tief. »Nun ja. Man weiß nicht genau was passieren würde. Aber es wäre ganz sicher das Ende von Phön!«
Lea und Munzheim standen mittlerweile neben Cora und Picardo und beäugten das Bauwerk. Der General hatte den Mund weit aufgerissen, was Lea gleich bemerkte und leise kicherte. Lucius jedoch stand etwas abseits. Er wirkte nachdenklich, als ob ihn etwas beschäftigte. Man könnte meinen, dass es an seinen Stimmungsschwankungen lag, jedoch steckte dieses Mal sicherlich mehr hinter seinem seltsamen Verhalten.
»Furchtbar«, begann Lea, »die armen Leute die hier einst lebten. Sie opferten sich für unser aller Wohl und Niemand hat sich die Mühe gemacht, dies auch nur mit einer Blume zu würdigen.«
»So sind die Menschen eben«, warf Cora ein und seufzte. »Sie ziehen lieber los und richten ein Massaker an Unschuldigen an, anstatt ihre Beschützer zu würdigen. Wahrscheinlich wussten die meisten Menschen nicht einmal, wofür das Volk der Thohawk einstand.«
»Der Schuldige war ja bereits weg, so mussten sie ihrem Ärger irgendwo anders Luft verschaffen«, ergänzte Lucius trat, zuerst unbemerkt in die Runde und wurde für diesen Kommentar sogleich schräg angeschaut. Er hatte einen missmutigen Gesichtsausdruck und Lea fragte sich, was wohl gerade in ihm vorging. In der ganzen Zeit war sie aus Lucius nicht ganz schlau geworden, obwohl sie doch einige Male miteinander geredet hatten. »Lasst uns die Tore und den Brunnen suchen!«, drängte Cora und lief voraus. Lucius war der Erste, der ihr schweigend folgte.
Auf dem Platz vor der Tempelstätte währenddessen, wirbelten einige Blätter durch die Luft und ein bunter Vogel flog aufgeschreckt davon, als das Rauschen vom Himmel her lauter wurde. Wie ein Schwarm riesiger Mücken hörte sich der Engelssegler an, als er zum Landeanflug ansetzte. Langsam schwebte er von oben hinab auf den saftigen grünen Dschungelboden, gab einige pfeifende Geräusche von sich und stampfte ein paar Pflanzen und Äste unter sich in den Boden. Eine kleine Erschütterung machte sich breit, dann verstummten die Geräusche des riesigen Gleiters, der nun mitten im Dschungel zur Ruhe gekommen war. Er wirkte hier wie ein prähistorisches Urtier, das auf Beute lauerte und nun seine Zunge ausfuhr, um seinen Mageneinwohnern den Austritt zu ermöglichen.
»Es isssst ssoweit, Ehrwürdiger!«, zischte Voldho und rieb sich die dreckigen Hände,
»Die Zeit ist gekommen!« Kahn rückte seinen Stuhl vom Tisch weg, stand auf und zupfte sich seine Kutte zurecht. Dann lief er auf eine Reliefsäule zu, auf der, unter einer Glaskuppel, das Zepter auf einem roten, seidenen Kissen schlummerte.
Ich habe lange darauf warten müssen deine Macht kennenlernen zu dürfen! Der Bischof hatte einen glasigen Ausdruck in seinen Augen und hob langsam die schwere Glaskuppel in die Höhe. Sanft stellte er sie neben die Säule und betrachtete stumm das alte Zepter, das doch relativ unspektakulär wirkte. Es gab es einen schwachen, weißen Schimmer von sich und schien ganz leicht zu pulsieren. Ein Laie hätte es für einen verzierten, abgebrochenen Gehstock gehalten. Noch
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