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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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hören, blieb ich stumm.
    »Gegenwärtig hat Seine Majestät Corcor’n, der Sohn des Mannes, den du getötet hast, jedermann überzeugt zu warten, bis wir Nachricht vom Festland erhalten. Wir gehen davon aus, daß sie leugnen, dich geschickt zu haben, aber wir bieten ihnen diese Möglichkeit. Wenn sie wie erwartet reagieren, werden wir euch vermutlich hinrichten. Falls du neugierig bist, die meisten möchten euch zu Tode steinigen, aber es gibt auch welche, die euch fesseln und den Orcas vorwerfen wollen.«
    »Ich bin eigentlich nicht neugierig«, erwiderte ich.
    Er nickte. »Während wir warten, hast du weiterhin die Gelegenheit, uns alles zu erzählen. Das gleiche werden wir auch deinem Kameraden anbieten. Wenn er vor dir redet, wird er höchstwahrscheinlich ins Exil geschickt. Wenn du redest, wird er sterben, und du darfst vielleicht gehen. Zumindest wird es dir gestattet, Gift zu schlucken, was einen wesentlich angenehmeren Tod bedeuten würde als die beiden anderen.«
    »Hast du diese Erfahrung selbst gemacht?« fragte ich.
    Er seufzte. »Du willst uns also nichts erzählen? Wer dich geschickt hat? Warum?«
    »Ich bin bloß zum Angeln hergekommen«, sagte ich.
    Er wandte sich an die Wachen. »Bringt ihn in die Zelle zurück, und holt den anderen!« Das taten sie. Ich hätte im Vorbeigehen etwas Schlaues zu Aibynn sagen können, aber mir fiel nichts ein. Was hätte ich dafür gegeben, den beiden zuhören zu können, aber ich hatte weiterhin keine Verbindung zum Gestirn, und die Hexenkunst funktionierte wie gesagt nicht. Vielleicht hockten sie ja bloß da und warfen so lange S’yang-Steine, daß der Schein gewahrt wurde. Oder sie glaubten wirklich, er habe mir geholfen. Oder womöglich ging da etwas vollkommen anderes vor, das an mir komplett vorbeizog. Wäre nicht das erstemal.
     
     
    Sie ließen uns noch zwei Tage dort, und während dieser Zeit lernte ich den Unterschied zwischen einem »schnalzenden« Schlag und einem »rollenden« Wirbel, zwischen Fellen aus Fisch- oder Tierhaut, wie man erkennt, ob der Kieferknochen, den man als Schlegel benutzen will, einen Riß hat, und welche Übungen für welche verschiedenen Trommler erforderlich sind: für Festtrommler, auch »kernig« oder »erdig« genannt; für Ritualtrommler, auch »schmetternd« oder »zischend« genannt, und für spirituelles Trommeln, auch »tief« oder »wäßrig« genannt. Aibynn hatte alle drei Arten gelernt, bevorzugte aber das zischende Trommeln.
    Ich interessierte mich für das alles weniger als ich vorspiegelte, aber sonst gab es nichts, mit dem ich mich unterhalten konnte. In der Zwischenzeit wurde ich zwei weitere Male verhört, aber diese Gespräche könnt ihr mittlerweile wohl selbst auswendig. Mit Aibynn zu reden war interessanter als die Verhöre, wenn er nicht gerade trommelte, aber er hat auch nicht viel gesagt, das mich schlußfolgern ließ, ob er nun mit denen zusammenarbeitete oder nicht.
    Einmal machte er nebenbei eine Anspielung auf die Götter. Ich dachte an die unterschiedlichen Einstellungen der Dragaeraner und der Ostländer zu den Allmächtigen und fragte: »Was sind Götter?«
    »Ein Gott«, antwortete er, »ist jemand, der nicht an Naturgesetze gebunden ist und moralisch etwas tun kann, was für jemanden, der kein Gott ist, unmoralisch wäre.«
    »Hört sich an wie auswendig gelernt.«
    »Ein Freund von mir ist Philosoph.«
    »Hat er auch eine Philosophie, wie man aus Zellen entkommt?«
    »Er sagt, wenn du entkommst, mußt du deinen Zellengenossen mitnehmen. Außer du bist ein Gott«, setzte er hinzu.
    »Klar«, sagte ich. »Hat er eine Philosophie über das Trommeln?«
    Er sah mich neugierig an. »Wir haben uns darüber unterhalten«, sagte er. »Manchmal, wenn man spielt, steht man irgendwie mit irgendwas in Verbindung; Dinge fließen durch dich, als würdest du überhaupt nicht spielen, sondern etwas anderes spielte dich. Dann ist es am besten.«
    »Jau«, stimmte ich zu. »Genauso ist es bei Auftragsmorden.«
    Er tat, als müsse er lachen, aber ich glaube nicht, daß er es richtig komisch fand.
     
     
    Nachdem er von seiner zweiten Sitzung mit dem Königlichen Hotzenplotz zurückkam, fragte ich ihn: »Was wollte er von dir wissen?«
    »Er wollte wissen, wieviele Töne ich aus meiner Trommel holen kann.«
    »Ach was«, sagte ich. »Und?«
    »Und was?«
    »Wieviele?«
    »Neununddreißig, wenn ich Fell und Muschel, beide Seiten des Schlegels, Finger und Dämpfer benutze. Und dann gibt es noch die

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