Phönix
Aibynn einen Auftrag mit einem Musiker aus dem Haus der Issola, der zu ostländischen Instrumenten seine Balladen aus der Zeit vor dem Interregnum sang. Und dann waren sie es, die mir über Stock die Nachricht brachten, daß der größte Teil von Kellys Organisation, darunter auch Cawti, verhaftet worden war.
LEKTIONWIE MAN MIT MITTELSMÄNNERN UMGEHT II
Eine der leichtesten und trotzdem wirkungsvollsten offensiven Nutzungsmöglichkeiten der Zauberei besteht einfach darin, so viel Energie, wie man bewältigen kann, ohne sich selbst zu vernichten, aus dem Gestirn zu ziehen, sie durch den eigenen Körper zu kanalisieren und dann auf die Person oder den Gegenstand zu richten, der oder dem man Schaden zufügen möchte. Die einzige Verteidigung dagegen ist, so viel Energie, wie man bewältigen kann, ohne sich selbst zu vernichten, aus dem Gestirn zu ziehen und sie zur Abwehr oder Ablenkung des Angriffs zu benutzen.
Nun ist es aber so, daß mir eine goldene Kette von gewisser Länge in die Hände gefallen ist, die, wenn sie richtig angewandt wird, jeden gegen mich gerichteten Zauber abwehrt, so daß ich gegen derlei Dinge verhältnismäßig gut gesichert bin. Einmal allerdings, mitten in einer Schlacht, in der ich nie hätte stecken dürfen, wurde ich von hinten erwischt.
Es war, als würde ich innen verbrennen, und es kam mir minutenlang so vor, als könnte ich spüren, wie Venen, Arterien und sogar meine inneren Organe brannten. Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich, und ich merkte, wie die in meinen Oberschenkeln versuchten, mir die Beine zu brechen, und das fast mit Erfolg. Gleichzeitig wurde ein Krieger der Dragon, der vielleicht fünf Meter vor mir stand, von einem Pfeil getroffen, und ich sah ihn minutenlang vornüberkippen. Ich roch Qualm und stellte fest, daß er aus meinem Hemd hervorquoll, und mir wurde schlecht, und ich erkannte, daß die Haare auf meiner Brust und den Armen brannten. Ich wußte, mein Herz war stehengeblieben, meine Augäpfel waren heiß und juckten. Jedes Geräusch verschwand, und nur äußerst langsam kamen sie wieder, angefangen mit einem grauenvollen Summen, als hätte mich jemand in einen Bienenstock gesteckt. Zu meinem Erstaunen war da kein Schmerz, und noch erstaunter war ich, als ich merkte, daß mein Herz wieder zu schlagen begonnen hatte. Aber selbst da war es noch nicht vorbei, denn ich konnte zuerst nicht aufstehen; jeder Versuch, die Beine zu bewegen, endete in hilflosem Zucken. Als ich nach mehreren Minuten schließlich stehen konnte, da habe ich, das weiß ich noch, versucht, mein Schwert zu packen, und konnte es nicht, weil ich einen Schritt darauf zu machen wollte, aber in eine andere Richtung lief, und als ich die Hand ausstrecken wollte, griff ich da zu, wo ich gar nicht hatte hinfassen wollen. Es dauerte zwanzig oder dreißig Minuten, denke ich, bis die Auswirkungen nachließen, und in dieser Zeit hatte mich eine Panik im Griff, wie ich sie nie zuvor verspürt hatte.
Seither ist die Erinnerung in seltsamen Momenten wiedergekehrt, und zwar jedesmal sehr heftig. Nicht wie ein Schmerz, an den man sich nicht wirklich erinnern kann – der Zwischenfall war mir, und das meine ich wohl ganz wörtlich, ins Gehirn eingebrannt, und so überschwemmen mich diese ganzen Gefühle, und ich kann nicht atmen und frage mich, ob ich sterben muß.
Jetzt war so ein Moment.
Die Sache in Grünewehr war meine vierte Verhaftung gewesen. Die erste war am schwersten gewesen, weil es eben die erste war, aber leicht war keine. Indem man jemandem seine Bewegungsfreiheit nimmt, nimmt man ihm in gewissem Maße auch die Würde, und der Gedanke daran, dass Cawti dies widerfahren war, jener Frau, deren Augen sich zusammenkniffen, wenn sie grinste, und die, wenn sie lachte, den Kopf zurückwarf, daß ihre dunklen, dunklen Haare über die Schulter flossen, jener Frau, die mir den Rücken freigehalten hatte, jener Frau, die –
– jener Frau, die nicht mehr wußte, ob sie mich noch liebte, jener Frau, die ihr Glück und meines fortwarf für ein paar Parolen. Es war fast zuviel für mich.
»Alles in Ordnung, Boß?« fragte Stock, und ich nahm ihn wieder wahr, wie er mich mit besorgtem Gesicht anschaute.
»Wie man’s nimmt«, meinte ich. »Hol Kragar.«
Ich lehnte mich mit geschlossenen Augen im Sessel zurück. Da hörte ich Kragars Stimme. »Was ist denn, Vlad?«
»Mach die Tür zu.«
Das Türschloß, Kragars Schritte, sein Körper, der sich im Sessel niederließ, Loioshs Flügelschlagen,
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